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Knops Koppel

Die Stadt Flensburg will einen Landwirt enteignen. Ob sie das darf, entscheidet das Kieler Landgericht. Es geht um Fördergeld in Millionenhöhe

Von Esther Geißlinger

Die Bagger haben eine breite Schneise in die Wiese gerissen, die Ingo Knop bisher als Hauskoppel nutzte. Die Baumaschinen dröhnen nur wenige Meter von der Terrasse des Häuschens, in dem die Mutter des Flensburger Landwirts lebt. Wenn es nach dem Willen der Stadtverwaltung und einer Mehrheit des Rates geht, wird in wenigen Monaten eine Umgehungsstraße durch die Wiese führen. Am 25. Mai entscheidet das Kieler Landgericht, ob die Stadt den Bauern enteignen darf. Der Druck ist hoch: Verliert Flensburg den Prozess, müsste die Stadt Fördergeld in Höhe von rund sechs Millionen zurückzahlen.

Seit einem Jahrzehnt plant Flensburg den Bau der Kreisstraße K8, die um den Ortsteil Tarup herumführen soll. Trassen-Alternativen wurden beraten, am Ende ein Verlauf beschlossen. Die ersten drei Abschnitte der K8 sind fertig, dafür floss Fördergeld vom Land. Doch das letzte Stück der Straße führt über Knops Koppel. Und genau dieses Grundstück will der Bauer nicht abgeben.

Der Flensburger Stadtrat hat daher im vergangenen November die Enteignung beschlossen. Frage an Clemens Teschendorf, Sprecher der Stadt Flensburg: Wäre es nicht schlau gewesen, schon vor Jahren zu klären, ob das Land für die geplante Straße zur Verfügung steht?

„Andersrum wird ein Schuh draus“, sagt Teschendorf. „Ich gucke nicht, wo ich Land kaufen kann, sondern lege die Trasse fest und gehe dann in Verhandlungen.“ Dieses Verfahren sei bei langfristigen Maßnahmen normal. Mit allen anderen Besitzern sei die Stadt einig geworden. Knop aber habe überzogene Vorstellungen: „Wenn ich einen alten Käfer zu verkaufen habe, kann ich nicht das Geld für einen Rolls-Royce verlangen.“

Für Ingo Knop ist die Wiese aber wertvoller als andere Flächen. Der Landwirt hält Kühe – keine große Herde, aber immerhin. Bisher grasten sie auf der Wiese vor dem Haus der Mutter. Soll er die Tiere künftig über die Umgehungsstraße treiben und zum Melken lange Umwege fahren? Undenkbar. Ingo Knop zeigt auf einen Wall, der einige Hundert Meter entfernt die Grenze seines Grundstücks markiert: „Da könnte die Straße gern laufen. Das hätte mich nicht gestört, und das Land hätte ich auch verkauft.“ Doch Stadt-Sprecher Teschendorf sagt: „Verschieben ist nicht möglich, weil die Anschlussstellen schon da sind.“

Es gibt schon eine andere Umgehungsstraße

Genau dieses Argument bringt Stefan Hufe auf die Barrikaden: „Die Stadt hat sich selbst in diese Lage gebracht und muss nun die Enteignung durchsetzen“, so der Sprecher der Bürgerinitiative, die sich zu ­Knops Unterstützung gegründet hat. Er sei kein Gegner der neuen Straße, sagt Hufe. „Aber das Verfahren macht mich wütend: So kann man nicht mit einem Menschen umgehen.“ Vor allem werfen die GegnerInnen der K8 der Stadt und der Mehrheit der Ratsparteien vor, ihre Pläne unter falschen Voraussetzungen voranzutreiben.

Der Grund für die Umgehungsstraße ist, das Dörfchen Tarup von Verkehr zu entlasten. Allerdings wirkt die Hauptstraße beim Ortstermin zur Feierabendzeit fast verschlafen, nur wenige Autos rollen vorbei. Einige Tausend sind es am Tag.

Seit Beginn der K8-Planung hat Flensburg eine andere Umgehungsstraße gebaut, die viel Verkehr aufnimmt. „Wer heute durch Tarup fährt, will entweder hierher oder würde nicht auf die K8 einschwenken, weil das einen Umweg bedeutet“, sagt Hufe. Er findet, dass die Verkehrslast neu hätte berechnet werden müssen: „Warum spielt es eine Rolle, wie viele Kühe Bauer Knop hat, aber nicht, wie viele Autos die Straße nutzen würden?“

Weil eine „fixe Größe an Fahrzeugen pro Tag für bestimmte Projekte in ländlichen Gebieten ein Totschlagargument wäre“, heißt es aus dem Verkehrsministerium: „Es findet immer eine Einzelfallprüfung statt, die die Gegebenheiten vor Ort berücksichtigt.“ So muss sich die Stadt Flensburg keine Sorgen machen – aber nur wenn sie es schafft, die Straße fristgerecht bis 2019 zu bauen. „Das Projekt wird ja offenbar wie beantragt realisiert“, hieß es aus dem Ministerium. „Daher haben wir keinen Anlass, über etwaige Rückforderungen zu spekulieren.“

Es gebe Bedarf an der Straße, sagt Arne Rüstemeier, Ratsherr der CDU: „Viele Leute wünschen sich eine Entlastung für Tarup und einen sicheren Schulweg für ihre Kinder – aber die melden sich nicht so laut in der Öffentlichkeit.“ Die Frage, wie es einem CDU-Politiker gefällt, einen Bauern zu enteignen, weist Rüstemeier von sich: „Das entscheiden nicht wir, sondern das geht seinen formalen und juristischen Weg.“ Allerdings hat eine Ratsmehrheit für die Enteignung gestimmt, auch Rüstemeier: „Flensburg ist eine wachsende Stadt mit wachsendem Verkehr.“

Vom Eigentum entpflichtet

In Berlin soll das Gelände um Bahnhof Köpenick neu überplant werden. In so genannten „Entwicklungsgebieten“ sind Enteignungen möglich. Jetzige Besitzer erhalten ein Vorkaufsrecht, die Preise dafür setzt jedoch die Stadt fest.

Weil eine Bundesstraße ausgebaut werden soll, droht Grundstückseigentümern im schwäbischen Altshausen die Enteignung. Die wehren sich mit einer Petition an den Landtag.

Anders liegt ein Fall in Briest (Brandenburg): Vor Jahren kaufte ein Privatmann eine Erschließungsstraße und hoffte auf Durchleitungsgebühren. Aber weil kein Geld floss, wünscht er sich die Enteignung – bisher vergeblich.

Eben, sagt Marc Paysen, Ratsherr der Wählergemeinschaft „Wir in Flensburg“ (WiF): „Die K8 erobert Neuland.“ Denn um die Straße herum könnten neue Wohngebiete entstehen, „Raum im Osten“, spöttelt Paysen. Dieser Vorwurf wiegt schwer, denn Besitz darf zwar enteignet werden, um einen bestehenden Ort zu entlasten, aber nicht für künftige Wohngebiete. Daher lässt Stadtsprecher Teschendorf Paysens Kritik nicht gelten: Was entlang der Straße eines Tages entstehe, ließe sich heute nicht sagen. Es habe gute Gründe, auch naturschutzrechtliche und ökonomische, für die jetzt gewählte Trasse gegeben.

Ein handgeschriebenes Blatt Papier

„Die Stadt zockt“, sagt Paysen, dessen WiF bei der Kommunalwahl mit 8,6 Prozent vergleichsweise schlecht abschnitt. Er sieht „Kungelei“ zwischen Stadt und den beteiligten Landesministerien, um das Verfahren durchzuziehen. Ratsherr Rüstemeier wirft der WiF dagegen vor, Anträge zu stellen, die die anderen Fraktionen aus rechtlichen oder Datenschutz-Gründen ablehnen müssten: „Und dann stellen sie sich als Opfer dar.“

Im vergangenen Herbst traf sich Oberbürgermeisterin Simone Lange (SPD) mit Ingo Knop. Bei diesem „Küchentischgespräch“ schien eine Einigung erreicht, beide unterzeichneten ein handgeschriebenes Blatt. Kurze Zeit darauf zog Knop seine Einwilligung zurück – ist er also unzuverlässig? Ein kopiertes Papier, das der taz vorlag, sieht allerdings so aus, als sei in einer weiteren Handschrift Text hinzugefügt worden: Aus einer Vereinbarung wird damit die Zusage, prüfen zu wollen. „Dass hier etwas manipuliert wurde, weise ich weit zurück“, sagt Teschenburg.

Juristisch spielt dieser Zettel ohnehin keine Rolle. Das Kieler Landgericht wird heute entscheiden. Verliert die Stadt, müsste sie die bereits angefangene Straße rückbauen und Fördergeld erstatten. Gewinnt Flensburg, rauschen bald Autos über Knops Koppel.

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