Girls'-Day-Auftakt im Kanzleramt: Von Frauen und Fröschen
Angela Merkel will Mädchen für Männerberufe interessieren. Aber die obersten Mädelsvertreter behandelt sie schlechter als Juchtenkäfer.
Ich bin dagegen, Frauen schlechter zu behandeln als Juchtenkäfer, und ich kann von mir sogar behaupten, dass ich das Recht auf meiner Seite weiß. Dass beides der Fall ist, auch die Schlechterbehandlung, werde ich mit diesem Text belegen. Ich werde hier gleich über eine Staatszielbestimmung berichten, aber zuerst muss ich etwas über den Girls’ Day sagen, über Angela Merkel und eine üble Frechheit, die mir und vielen anderen aufgefallen ist, als wir neulich ein Foto sahen.
An diesem schönen Mittwoch, dem 25. April 2018, hat die Bundeskanzlerin 24 Mädchen ins Kanzleramt eingeladen, um ihnen zu empfehlen, sich auch mal für klassische Männerberufe zu interessieren. Es war die Auftaktveranstaltung zum „Girls’ Day“. Aus diesem Anlass gibt es immer eine Videobotschaft an die Mädels und aufmunternde Worte von der Kanzlerin. Das ist natürlich prima.
Einige andere Mädels warten derzeit allerdings ebenfalls auf ein paar aufmunternde Worte der Kanzlerin: Es handelt sich bei ihnen um die versammelten Gleichstellungsbeauftragten der obersten Bundesbehörden. Die haben sich bereits vor vier Wochen mit einem schriftlichen Hilfeschrei an die Bundeskanzlerin gewandt – und warten, wie die Zeit berichtet, noch immer auf eine Antwort.
Hintergrund ist, dass es bereits heute Frauen gibt, die sich durchaus für Männerberufe interessieren, zum Beispiel für den des Staatssekretärs in einem Ministerium der Bundesregierung. Dort allerdings, auf den oberen Hierarchieebenen der Bundesbehörden, sieht es mau aus mit einer ordentlichen Repräsentanz von Frauen. Besonders anschaulich, aber daran werdet ihr euch ja sicher noch erinnern, ist das neulich am Beispiel des Innenministeriums geworden, wo CSU-Minister Horst Seehofer die komplette Führungsriege mit Männern besetzte. Erst zeigte das Ministerium das Männerfoto stolz im Internet herum, dann, ups, tauschte es das Bild huschig aus.
Staatsziele stehen im Grundgesetz
Die Gleichstellungsbeauftragten sind deshalb besorgt – weil die Bundesregierung nicht vorlebt, was sie selbst propagiert. Sie haben recht. Frauen werden in Deutschland schlechter behandelt als Frösche und Juchtenkäfer, und das, obwohl es verboten ist.
Nun muss man allerdings sagen, dass Frauen durchaus etwas mit Fröschen und Juchtenkäfern gemein haben: Sie alle werden adressiert durch ein Staatsziel. Darunter versteht man ein Ziel, das ein Staat sich selbst verbindlich gesetzt hat, um es dann auch zu erreichen. Staatsziele in Deutschland werden dem Volk allerdings nicht in Videobotschaften mitgeteilt, sondern, das ist etwas Besonderes: Sie stehen im Grundgesetz.
Da steht, dass Tierschutz ein Staatsziel ist und im Übrigen auch die „tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern“, und deswegen gibt es auch diese ganzen Umweltprüfgeschichten, und Bahnhöfe in Stuttgart werden so lange nicht weitergebaut, bis der Juchtenkäfer gerettet ist, und für die Frösche gibt es Tunnel unter den Straßen, damit niemand sie platt fährt.
Das ist alles schön und richtig und gut, aber wenn es um Frauen geht, also die „tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern“, dann gelten plötzlich ganz andere Maßstäbe, und immer gibt es irgendeinen Grund, warum wieder keine Frau in Sicht war, obwohl es sie natürlich doch gab, und in der Rechtsauslegung wird dann immer irgendein dummer Unsinn behauptet, obwohl es da gar nichts zu diskutieren gibt.
Wahrnehmen, aber nicht beherzigen
Um nur mal ein Beispiel zu nennen: Horst Seehofer nahm also all die vielfach erhobenen Einwände der Gleichstellungsbeauftragten zur Kenntnis, um diesen dann mitzuteilen, dass er sie wahrgenommen habe, aber nicht beherzigen werde, denn in seinem Ministerium seien doch etwa 50 Prozent der Belegschaft Frauen, was möglicherweise sogar stimmt, wenn man die Putzfrauen mitzählt.
Dies ist doch nun also wirklich eine Dreistigkeit, und ich würde deshalb gerne mal sehen, dass die Bundeskanzlerin in einer Videobotschaft erklärt, was eine Staatszielbestimmung ist und was das Wort „tatsächlich“ bedeutet, denn das würde ja helfen.
Irgendjemand könnte ihren Ministern dann den Link dazu schicken, oder hilfsweise bis dahin diesen Text, und die könnten sich dann daran halten, und wenn sie schon dabei sind, könnten sie – sagen wir: tatsächlich – auch den bislang noch unbeantworteten Brief der Gleichstellungsbeauftragten mal beantworten. Das ist, denke ich, nicht nur eine Frage des Rechts, sondern auch eine der Würde, und es wäre doch auch eine schön Geste zum Girls’ Day.
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