Mietenwahnsinn-Proteste: Weiter Zähne zeigen
Die Mieterdemo war ein politischer und medialer Erfolg. Die Initiatoren wollen weitermachen, womöglich bundesweit.
Doch der kleine Unmut im Orga-Kreis ist nur ein Nebengeräusch. Über die politische Ausstrahlung der Demo gibt es keinen Zweifel. „Das war ein Bombenerfolg“, sagt am Montag etwa Magnus Hengge immer noch euphorisiert. Seine Kreuzberger Initiative Bizim Kiez gehörte zu den treibenden Kräften in dem Bündnis.
Die Demonstration, die von 250 Initiativen getragen und unterstützt wurde, hat ein Ausrufezeichen gesetzt, auch medial. Der Pressespiegel auf der Bündnis-Website ist beeindruckend lang: „Viel mehr wäre an Aufmerksamkeit nicht drin gewesen“, sagt Hengge. Was hinzukommt: viel mehr an positiver Resonanz auch nicht. Die bunt gemischte, kreative Demo hat selbst in der konservativen Presse viel Lob erfahren.
Während Politiker von Linken, Grünen, vereinzelt auch der SPD mitdemonstrierten oder ihre Sympathie zum Ausdruck brachten, war das Schweigen im konservativem Lager unüberhörbar. Ein Tweet vom FDP-Abgeordneten Mario Czaja (FDP) – „3.000 Demonstranten sind also ‚die Berliner‘, und ein Volksentscheid mit über einer Millionen Ja-Stimmen für TXL wird ignoriert“ – blieb die Ausnahme. Zu lesen ist daraus womöglich die Sorge der Neoliberalen, dass die Politik auf die durchaus radikal antikapitalistischen Forderungen der Demonstranten reagieren könnte.
Bundesweites Thema
Es sei ihnen gelungen „die Wohnungskrise in den Städten als zentrales soziales Thema auf die politische Agenda“ zu setzen, teilte das Demobündnis mit. Am Dienstag findet ein Auswertungstreffen statt. Eine der Pressesprecherinnen, Franziska Schulte vom Berliner Mieterverein, kündigte am Montag der taz an: „Wir werden weiterhin über Aktionen nachdenken.“ Im Gespräch seien neue Veranstaltungs- und Aktionswochen, auch eine bundesweite Vernetzung. „Langfristig werden wir schauen, ob man Protestmärsche parallel durchführen kann“, so Schulte.
Empfohlener externer Inhalt
Beschlossen ist allerdings noch nichts. Friedrichshain-Kreuzbergs Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) hatte in einem Videostatement von der Demo die Überführung des Bündnisses in eine „Plattform“ angeregt, die dauerhaft „Druck auf die Politik, vor allem die Bundespolitik“ ausüben sollte.
Geht es nach Hengge, sollte sich die gestärkte Bewegung zunächst wieder ganz konkreten Handlungsfeldern zuwenden: „Wir sollten den Schwung möglichst gezielt auf Einzelfälle lenken.“ Im Kampf gegen einzelne Spekulanten und Hausverwaltungen seien eher Erfolge zu erzielen als im großen politischen Rahmen. Viel Hoffnung, dass die Bundespolitik unter Bauminister Horst Seehofer (CSU) grundsätzlich umsteuert, haben die Aktivisten nicht. Die Demo war in dieser Hinsicht schon weiter. Ein als Seehofer verkleideter Mann gab auf Nachfrage zu Protokoll: „Ich demonstriere gegen mich selbst.“
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Leak zu Zwei-Klassen-Struktur beim BSW
Sahras Knechte
Nach Hitlergruß von Trump-Berater Bannon
Rechtspopulist Bardella sagt Rede ab
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Bildungsforscher über Zukunft der Kinder
„Bitte nicht länger ignorieren“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
USA entwerfen UN-Resolution zum Krieg in der Ukraine ohne jede Kritik an Russland
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen