: Ein merkwürdiges Verfahren
In einem Agentenprozess sagt Roderich Kiesewetter (CDU) aus. Er offenbarte dem BND seinen Informanten
Aus Berlin Martin Kaul, Christina Schmidt und Daniel Schulz
Erst holte er sich die Zusage vom Bundesnachrichtendienst, die Geheimdiensthelfer in seinem Umfeld abzuschalten. Dann lieferte er den BND-Mitarbeiter aus, der ihn auf diese Zuarbeiter erst aufmerksam gemacht hatte. Bei seiner Aussage vor dem Berliner Landgericht am Montag wurde klar, dass der CDU-Bundestagsabgeordnete Roderich Kiesewetter mit dem Bundesnachrichtendienst kooperierte, um den BND-Agenten Mark M. zu überführen, der derzeit in Berlin wegen Geheimnisverrats vor Gericht steht.
Der Angeklagte M., ein alter Bekannter des früheren Soldaten und heutigen Verteidigungspolitikers Kiesewetter, soll diesen im Oktober 2014 in einem Restaurant vertraulich darauf hingewiesen haben, dass in Kiesewetters Umfeld, im Präsidium des Reservistenverbands, Zuarbeiter des BND tätig seien. Kiesewetter, damals Präsident des Verbandes, sollte als Obmann der CDU im NSA-Untersuchungsausschuss auch die Arbeit des Bundesnachrichtendienstes auf Unrechtmäßigkeiten untersuchen. Er erklärte im Januar 2015 seinen Rücktritt aus dem NSA-Untersuchungsausschuss. Als Grund gab er die BND-Leute in seinem Umfeld an.
Am Montag wurde Kiesewetter als Zeuge vor Gericht gehört. Vordergründig geht es darum, zu belegen, dass der Bundesnachrichtenmann Mark M. Geheimnisse an Kiesewetter verraten haben soll. Bei Kiesewetters Vernehmung wurde klar: Er selbst hat seinen Informanten trotz seines Schweigerechts als Abgeordneter letztlich dem BND und der Justiz offenbart. Dabei traf Kiesewetter nach eigener Aussage wiederholt mit dem damaligen Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes, Gerhard Schindler, zusammen.
In einem ersten Zufallstreffen im November 2014 hatte Kiesewetter Schindler empört auf die BND-Mitarbeiter in seinem Umfeld hingewiesen. Schindler soll Kiesewetter daraufhin wörtlich gesagt haben: „Die schalten wir morgen ab.“ Die BND-Helfer im Präsidium des Reservistenverbands hätten laut Kiesewetter ihre Tätigkeit für den Dienst dann tatsächlich eingestellt.
Bei weiteren Treffen im Mai und Juni 2015 trafen Kiesewetter und Schindler laut dem Bundestagsabgeordneten erneut in der Sache aufeinander. Nach dem Treffen im Juni habe Kiesewetter ein Schreiben an den Präsidenten des BND verfasst, in dem Kiesewetter nicht mehr den Bundesnachrichtendienst beschuldigt, ihn nicht informiert zu haben, sondern den heute Angeklagten, ihn informiert zu haben. Das Verfahren bleibt merkwürdig.
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