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Kriegswaffen als ABM

Norddeutsche Firmen beteiligen sich eifrig am Rüstungsexport in Krisengebiete. Dafür droht zwei großen Werften ein Großauftrag der Bundesmarine durch die Lappen zu gehen

Von Gernot Knödler

Nach dem Aufatmen vor kaum drei Wochen werden die Beschäftigten der Emdener Werft jetzt wieder neu in Unsicherheit gestürzt. Die Mitarbeiter sind alarmiert, weil ihre Firma Thyssen-Krupp Marine Systems (TKMS) aus dem Vergabeverfahren für das geplante Mehrzweckkampfschiff der Bundesmarine ausgeschieden ist, ebenso wie die Bremer Lürssen-Werft. Dabei war es die Hoffnung auf diesen 3,5-Milliarden-Euro-Auftrag, die den Standort Emden über Wasser gehalten hat.

Im Februar hatte Thyssen-Krupp die Schließung der Emder Werft bis zum Jahr 2020 ausgesetzt. 220 Beschäftigte in der ostfriesischen Kleinstadt hatten fürs Erste wieder eine Perspektive. Die Betriebsräte, die Gewerkschaft IG Metall und das Management setzten dabei auf einen Passus im Koalitionsvertrag, in dem der militärische Überwasserschiffbau als „deutsche Schlüsseltechnologie“ bezeichnet wird. Für den U-Bootbau gilt das bereits.

Was das im Einzelnen heißen könnte, wollen die Betriebsräte der Werften und Zulieferer sowie Gewerkschaftsvertreter am Dienstag bei einer Krisensitzung in Kiel klären. „Es geht erstmal um eine Positionierung für uns“, sagt Heiko Messerschmidt, Pressesprecher der IG Metall Küste. Und dann müsse die große Koalition dieses Konzept zügig umsetzen.

Messerschmidt deutet die Richtung an, die die Politik einschlagen könnte: Es gehe darum, die gesamte Wertschöpfungskette in deutscher Hand zu behalten – von der Konstruktion über die Zulieferer bis zum Zusammenschweißen der Schiffe. Erhielten die beiden übrig gebliebenen Bieter – Damen Ship­yards aus den Niederlanden und German Naval Yards aus Kiel – den Zuschlag, drohe Know-how auf Nimmerwiedersehen aus Deutschland zu verschwinden. German Naval Yards gehört zu der internationalen Privinvest-Gruppe, die in Kiel ebenfalls Arbeitsplätze sichert.

Laut dem EU-Vergaberecht müssen öffentliche Auftraggeber zwar einen diskriminierungsfreien Wettbewerb sicherstellen. Eine Reform von 2016 ermöglicht es jedoch laut einer Handreichung des Bundeswirtschaftsministeriums, „die Auftragsvergabe stärker zur Unterstützung strategischer Ziele zu nutzen“. Dazu gehören vor allem soziale, ökologische und innovative Aspekte.

Mit dem Projekt Mehrzweckkampfschiff MKS 180 will das Verteidigungsministerium ein völlig neuartiges Mehrzweckkampfschiff anschaffen, das Angriffe unter und auf dem Wasser, aber auch in der Luft abwehren und zudem länger im Einsatz bleiben kann. Laut IG Metall ist es für die Werften „der entscheidende Auftrag für die nächsten Jahre“ und ein mögliches Referenzprojekt für Folgeaufträge.

Rüstungsexporteure

Die vier nordwestdeutschen Bundesländer haben 2014 bis 2017 Rüstungsgüter einschließlich Kriegswaffen im Milliardenwert exportiert.

Die Einzelgenehmigungen waren 2014 knapp 1,4 Milliarden Euro wert, in den Folgejahren gerundet 1,3 Milliarden, 1,5 und zwei Milliarden.

Die Sammelgenehmigungen umfassten 2014 rund 1,6 Milliarden, 2015 knapp 1,5 Milliarden. In den Folgejahren waren es nur kleine achtstellige Beträge.

Zu den Empfängern gehörten Afghanistan, Algerien, die Arabische Republik Syrien, die Demokratische Republik Kongo, Jemen, Somalia, Südsudan.

Nicht zuletzt könnte es dabei um den Export gehen. Laut einer Antwort des Bundeswirtschaftsministeriums auf eine Anfrage der Grünen-Abgeordneten Katja Keul haben sich die norddeutschen Werften kräftig am Rüstungsexport – auch an Nicht-EU- oder Nicht-Nato-Staaten – beteiligt. In Bremen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein wurde zwischen 2014 und 2017 die Ausfuhr von 21 Kriegsschiffen in solche „Drittstaaten“ genehmigt. Darunter sind Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Ägypten, die im Jemen Krieg führen. Die Lürssen-Werft etwa baut für Saudi-Arabien Pa­trouil­lenboote. Im Januar hat die Bundesregierung die Rüstungsexporte an diese Länder jedoch gestoppt.

Sämtliche Ausfuhren von Kriegswaffen aus den Nord-Bundesländern hatten 2014 bis 2017 ein Gesamtvolumen von knapp zweieinhalb Milliarden Euro. Damit sei klar, „dass eben nicht nur Bayern und Baden-Württemberg an Rüstungsexporten beteiligt sind“, sagt die Grüne Keul.

Der Anteil der norddeutschen Bundesländer am breiter gefassten Export von „Rüstungsgütern“ ist so gering nicht, schwankt aber von Jahr zu Jahr stark. Hier geht es nicht nur um Waffen, sondern auch andere fürs Militär bestimmte Güter. In Bremen betrug er laut einer Auskunft des Bundeswirtschaftsministeriums an die Linksfraktion bis zu 8,9, in Niedersachsens bis zu 9,3, in Schleswig-Holstein bis zu 20,2 Prozent. Hamburg spielt eine untergeordnete Rolle.

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