Serie Öffentlich-rechtlicher Rundfunk: Die Gebühren-Diskussion nervt
Es ist Zeit für eine Auftragsdebatte. Die Öffentlich-Rechtlichen sollen informieren, unterhalten und bilden. Machen sie das noch zeitgemäß?
Hat der öffentlich-rechtliche Rundfunk ein Legitimationsproblem? Geht man montagabends zu Pegida in Dresden, findet man jedenfalls nur wenige, die den Rundfunkanstalten wie MDR, RBB oder WDR vertrauen, geschweige denn den öffentlich-rechtlichen Journalismus für hochwertig halten. Auch wenn die Pegida-Mitläufer mit Sicherheit eine Minderheit sind, die den Feinden der Demokratie auf den Leim geht: Gefühlt sind den wenigsten Menschen heute noch die Gründe bekannt, warum überhaupt der Öffentlich-Rechtliche ist, wie er ist.
Die Alliierten haben den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nach dem Vorbild der britischen BBC bewusst umfangreich und pluralistisch gestaltet. Ihnen war – anders als den Montagsspaziergängern in Dresden – bewusst, was in einem politischen System ohne unabhängige Presse passiert. Die Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus, dem erst nationalkonservativ dominierte Medien den Weg frei machten, um dann nach der kompletten Gleichschaltung die Menschen nur noch zu manipulieren und nicht mehr zu informieren, sollten sich nicht noch einmal wiederholen können.
Das öffentlich-rechtliche Modell in der Bundesrepublik funktioniert – wenn auch mit viel Reibung und nur im Spannungsspiel mit den privaten Anbietern – gut. Das zeigt ein Blick in die Geschichte: Immer wieder gab es Versuche, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk stärker an den Staat zu binden. Immer wieder sind sie gescheitert. Und: Nach wie vor gibt es kritische Berichterstattung, die den Machthabenden missfällt – ein weiterer Beleg für das Funktionieren des Systems.
Die erfolgreich behauptete und in zahlreichen Gerichtsurteilen festgeschriebene Unabhängigkeit vom Staat bedeutet aber nicht, dass es nicht noch besser gehen könnte. Und dass Politik und Staat nicht Fragen stellen oder sogar eine Vision entwickeln dürfen. Denn selbstverständlich kann man fragen, ob das ganze Konstrukt mit seinen acht Milliarden Euro jährlich nicht etwas überdimensioniert ist. Und ob das über die Haushaltsabgabe eingenommene Geld wirklich immer optimal eingesetzt wird. Zumal die technischen Entwicklungen aufzeigen, dass das klassische bestehende Konstrukt – die Unterteilung in Fernsehen und Radio und seit einigen Jahren auch Internet – schon lange nicht mehr mit dem Medienkonsum der Masse konform geht.
Zu langweilig? Zu teuer? Man muss nicht grundsätzlich gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk sein, um ihn zu kritisieren. Zuletzt haben rechtspopulistische Bewegungen die Debatte bestimmt – mit simplen Parolen. Die taz will eine konstruktive Diskussion: Welchen öffentlich-rechtlichen Rundfunk wollen und brauchen wir? Was muss sich bei ARD, ZDF und Deutschlandradio ändern? Zu diesen Fragen lesen Sie im Zuge dieser Serie mehrere Gastbeiträge.
Es steht also an, den ganzen Laden – genauer: die elf Rundfunkanstalten öffentlichen Rechts – zu reformieren. Behutsam, aber grundlegend, um sie den Bedürfnissen der modernen Demokratie und der Nutzer auszurichten. Zuerst muss die Frage geklärt werden: Was brauchen wir? Was verstehen wir eigentlich unter Qualität? Es ist schon bemerkenswert, welche Rolle die Quoten spielen, die mit teuren Fußball- und Sportrechten schnell nach oben getrieben werden können. Dabei hat sich längst rumgesprochen, dass die Mediennutzung der jüngeren Generationen mit der Quotenmessung nicht erfasst wird. Wie wäre es also mal mit einer kontinuierlichen Qualitätsmessung?
Fakt ist: Die Gebühren-Diskussion, die schon viele Jahre tobt, nervt – und bringt uns keinen Schritt weiter. Vielmehr unterminiert sie die Akzeptanz des Ganzen. Da können die Ministerpräsidenten noch so viele Einsparvorschläge einfordern, um diese hinterher als „nicht ausreichend“ zu kritisieren. Die Frage, wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk der Zukunft aussieht, benötigt einen konkreten Vorschlag. Der kann übrigens nicht aus dem öffentlich-rechtlichen System selbst kommen: Dafür gibt es viel zu viele Interessen und zu verfestigte Strukturen. Die Politik sollte sich ihrer Verantwortung stellen.
ist Journalist, Dozent und Medienberater. Er bloggt unter flurfunk-dresden.de über Medien und ist Herausgeber des Medien- und Politik-Magazins Funkturm.
Wenn auch die Programmautonomie von Politik und Staat nicht angefasst werden darf, wäre es zumindest eine Überlegung wert, die Verteilung der Mittel festzuschreiben. Was spräche etwa gegen ein Modell, das die Aufteilung der Gelder drittelt in die Felder Information, Bildung und Unterhaltung – völlig unabhängig von den Ausspielwegen?
Auf der anderen Seite sollten die Sender deutlich transparenter werden, offener mit Fehlern umgehen und die eigene Arbeit wie auch die eigene Geschichte besser erklären. Um den Kritikern, die die Notwendigkeit in Frage stellen, die Argumente zu entziehen.
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