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Ist das rechter Terror?

Eine Anschlagsserie in Neukölln – und immer trifft es Menschen, die sich gegen rechts engagieren. Nicht nur Betroffene fragen, wieso die Polizei nicht von Terror sprechen will

Von Malene Gürgen

Wenn es dunkel wird, kommt die Angst zu Ferat Kocak. Tagsüber ist alles in Ordnung, aber abends, da schaut er sich um, wenn er nach Hause kommt. Blickt über die Schulter nach rechts und links, wenn er sich dem Haus nähert, in dem er mit seinen Eltern wohnt. Hält Ausschau, ob es auf dem Grundstück etwas Verdächtiges gibt.

Seit gut einem Monat geht das jetzt so. Seit der Nacht, in der Ferat Kocak wach wurde, weil es gerade nicht dunkel war, nicht dunkel genug für kurz nach drei Uhr. Stattdessen erfüllte ein rötliches, unruhiges Licht das Zimmer. Als er ans Fenster stürzt, sieht er sofort, was los ist: Direkt neben der Hauswand brennt sein im Carport geparktes Auto lichterloh.

„Ich wusste innerhalb einer Sekunde, was das bedeutet“, sagt Ferat Kocak heute. Der 38-Jährige sitzt in seinem Büro in Mitte und rutscht unruhig auf seinem Stuhl herum, als wollte er jeden Moment aufspringen. Er erzählt auch von seiner Angst, es ist aber ein anderes Gefühl, das im Vordergrund steht, wenn er an den Brandanschlag in der Nacht zum ersten Februar denkt: Wut.

Kocak wurde in Kreuzberg geboren, als Kind zog er mit seiner Familie nach Neukölln. Seit Jahren ist er im Bezirk politisch aktiv: bei der Linken, für die er zuletzt bei der Abgeordnetenhauswahl 2016 als Direktkandidat im Wahlkreis Gropiusstadt/Buckow-Nord antrat, und bei der kurdischen HDP.

Von der Anschlagswelle 2011 und 2012, als schon einmal die Autos von Menschen brannten, die sich in Neukölln gegen rechts engagieren, hatte Kocak noch wenig mitbekommen. Als es Mitte 2016 nach ein paar Jahren Ruhe wieder losging, begann er darüber nachzudenken, dass es auch ihn treffen könnte. Damals fährt er einen uralten Polo – sollen sie den doch anzünden, denkt er sich manchmal im Spaß. Vergangenen Herbst kauft er sich schließlich ein neues Auto. Drei Monate später steht es neben seinem Haus in Flammen, und seitdem schaut sich Ferat Kocak abends um, wenn er nach Hause kommt.

Gleich mehrfach angezündet

Christiane Schott macht das schon seit Jahren. Seit im November 2011 ein Pflasterstein durch das Zimmerfenster ihrer Tochter fliegt, ein halbes Jahr später der Briefkasten explodiert, wieder ein paar Monate später ein Brandsatz nur deswegen keinen großen Schaden anrichten kann, weil Familie Schott die Fenster ihres Hauses mittlerweile vergittert hat. Dazwischen Bedrohungen, Beleidigungen, Einschüchterungen. Warum? Weil Christiane Schott es gewagt hatte, zwei Männern zu sagen, sie wolle keine NPD-Flyer im Briefkasten haben.

Mirjam Blumenthal, SPD-Bezirksverordnete in Neukölln, bekommt in dieser Zeit Morddrohungen auf ihren Anrufbeantworter. Blumenthal ist auch bei den Falken aktiv. Deren Gebäude, das Anton-Schmaus-Haus in Britz, wurde schon unzählige Male attackiert, 2011 wird es gleich zwei Mal angezündet. Heute findet die Jugendarbeit hier hinter einem Hochsicherheitszaun statt.

Im Januar 2017 brennt dann auch das Auto von Mirjam Blumenthal, eine Woche später stehen die Fahrzeuge von Heinz Ostermann, der in Rudow eine Buchhandlung betreibt, und einem Mitglied der IG Metall in Flammen. Bei Ostermann ist es nicht das letzte Mal: In der gleichen Nacht vor einem Monat, in der auch Ferat Kocaks Auto brennt, wird sein Auto erneut angezündet.

Angriff auf Demokraten

Teils sind die Opfer der aktuellen Anschlagsserie die gleichen wie schon in den Jahren 2011 und 2012, teils kommen neue hinzu.

Es sind SPD-Politiker darunter und linke Aktivisten, Mitglieder von Kirchengemeinden und von Gewerkschaften oder Menschen, die gar keiner Organisation angehören. Die einzige Gemeinsamkeit: Sie haben sich in Neukölln gegen rechts engagiert – manche seit Jahrzehnten, manche ein einziges Mal.

„Natürlich geht es darum, dass wir eingeschüchtert werden sollen“, sagt Ferat Kocak, der Neue im Kreis der gut vernetzten Neuköllner Betroffenen. „Das ist hier keine Geschichte ,Rechtsextreme gegen Linksextreme‘, sondern ein Angriff auf Demokraten, ein Angriff auf die Demokratie“, sagt Mirjam Blumenthal, die schon in den neunziger Jahren rechte Gewalt in den Südneuköllner Stadtteilen Britz, Rudow, Gropiusstadt und Buckow erlebte.

Schon damals gab es hier eine aktive rechte Szene, in den 2000er Jahren festigte sich diese auch organisatorisch.

Gleichzeitig formte sich Widerstand: Gegen einen jährlich stattfindenden Neonaziaufmarsch gründete sich 2006 das Aktionsbündnis Rudow, weitere Bündnisse und Initiativen folgten.

Aufmärsche der Rechtsextremen konnten so zurückgedrängt werden – die Gewalt nicht. Im Gegenteil: „Gerade die Tatsache, dass sich hier immer mehr engagieren, das macht die so richtig sauer“, sagt Christiane Schott. „Und das Schlimme ist: Sie fühlen sich offenbar so sicher, dass sie einfach immer weitermachen.“

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