Gerichtsentscheid über Fahrverbote: Stunde der Wahrheit für den Diesel
Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet über Fahrverbote für Dieselautos. Die Blaue Plakette könnte bei deren Durchsetzung helfen.
Sollte das Bundesverwaltungsgericht Ja sagen, dürften – wenn auch nicht sofort – viele Kommunen um Fahrverbote nicht herumkommen. Denn nach Ansicht des Stuttgarter Landgerichts sowie auch vieler Experten und Expertinnen sind Fahrverbote für Diesel die einzige Maßnahme, die wirklich deutlich und schnell gegen die Luftverschmutzung hilft.
Andere Mittel gelten als weniger wirksam: etwa die Förderung des Öffentlichen Personennahverkehrs (möglich wären auch Umsonst-Fahrten zu Smog-Zeiten), mehr Grün an belasteten Straßen, bessere Ampelschaltungen oder auch eine vorübergehende Beschränkung der Fahrerlaubnis für Autos und Lastkraftwagen mit wahlweise geraden oder ungeraden Endzahlen auf dem Nummernschild.
Schließlich sind Diesel-Pkw und -kleinlaster die wichtigsten Verursacher des Stickoxidausstoßes; sie sind vielfach nur auf dem Papier sauber, im Alltagsbetrieb wird aber ihre Abgasreinigung heruntergeregelt, wie durch den Dieselskandal bekannt wurde. Im Unterschied dazu funktioniert bei großen Lkw die Abgasreinigung in der Regel gut. Weitere Emittenten von Stickoxiden sind andere Fahrzeuge, Baumaschinen, Hausheizungen und Industrie. Beim ebenfalls gesundheitsschädlichen Feinstaub sind etwa die Kamin- und Holzöfen mittlerweile neben dem Verkehr zu einem Hauptproblem geworden.
Kommunen entscheiden
Sollte das Gericht Fahrverbote für zulässig erklären, müsste jede betroffene Kommune für sich entscheiden, ob eine solche Maßnahme für sie in Frage kommt. Die Verbote könnten zeitlich und räumlich begrenzt werden.
Von möglichen Fahrverboten betroffen wären nach Einschätzung des ACE Autoclubs knapp 6 Millionen Diesel-Pkw der Euro-Norm 5, knapp 3,5 Millionen Diesel-Pkw der Euro-Norm 4 sowie etwa 2,3 Millionen Pkw der Euro-Norm 3 und darunter.
Eine praktische Durchsetzung der Fahrverbote könnte sich aber schwierig gestalten: Theoretisch müsste die Polizei oder das Ordnungsamt Fahrzeuge aus dem laufenden Verkehr ziehen und anhand der Zulassung prüfen, welche Schadstoffnorm sie erfüllen. Von außen ist die Motorisierung ja nicht so ohne Weiteres zu erkennen.
Blaue Plakette wäre hilfreich
Enorm hilfreich wäre daher die Einführung einer Blauen Plakette. Diese Plakette würden nur Fahrzeuge erhalten, die die Euro-Norm 6 erfüllen. Aber auch hier steckt der Teufel im Detail. Denn es gibt eben auch jene Schummel-Fahrzeuge, die nur auf dem Papier Euro 6 haben, in der Wirklichkeit aber Dreckschleudern sind. Gegenüber Besitzern älterer Fahrzeuge wäre es ungerecht, wenn diese Stinker fahren dürften, die älteren Diesel aber nicht.
Abhilfe für diesen Fall würde nur eine Art Positivliste schaffen: Das Kraftfahrtbundesamt oder eine andere Behörde müsste für jeden Euro-6-Typ prüfen, ob er er die Norm erfüllt. Erst in diesem Fall dürfte er die Plakette bekommen.
Bislang weigert sich die Bundesregierung, die Blaue Plakette einzuführen – weil dann eben Fahrverbote einfach umzusetzen wären. Diese möchte die Regierung mit Rücksicht auf die Autoindustrie, auf Handwerker und Handwerkerinnen sowie Millionen Bürger und Bürgerinnen ganz offensichtlich vermeiden. Auch die Große Koalition in spe bekennt sich nicht zur Blauen Plakette.
Autoclub warnt
Der ACE-Autoclub warnt bereits: „Wer in Städten uneingeschränkt mobil sein möchte, dem ist vom Kauf eines gebrauchten Euro-5-Diesels (oder eines Diesels mit noch niedrigerer Euronorm) derzeit abzuraten.“ Hier bestehe das Risiko, dass es keine Nachrüstlösung zur Erreichung Euro-6-Norm gibt, so der ACE. Selbst bei Euro-6-Diesel-Pkw der ersten Generation ohne SCR-Katalysator und anderen Modellen ist nach Ansicht des Autoclubs Vorsicht geboten, weil hier ebenfalls getrickst wurde.
Der Club empfiehlt, sich vor einem Autokauf viel intensiver mit technischen Details zu befassen als bislang gewohnt. Empfehlenswert seien etwa Erdgas-, Autogas-, Hybrid- oder Elektrofahrzeuge, bei denen es aber ebenfalls spezifische Vor- und Nachteile gebe.
Und: „Achtung vor neuen Benzinern mit Direkteinspritzung.“ Diese seien zwar sparsamer, stießen aber erhebliche Mengen an Feinstaubpartikeln aus, die ebenfalls gesundheitsgefährdend seien. „In Zukunft könnten auch sie aus den Umweltzonen ausgeschlossen werden.“ Daher seien Benzin-Direkteinspritzer nur noch mit Rußpartikelfilter zu empfehlen, die ab September auf den Markt kämen. „Warten lohnt sich.“
Ansonsten lohnt es sich nach Ansicht des Clubs, in bewährte Technik zu investieren. Es gebe zahlreiche kleine Benziner, die ohne Filter und Direkteinspritzung auskommen.
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