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„42 Prozent der Menschen sind arbeitslos. Für sie gibt es kein Morgen, keine Träume, nichts“

Der Sprecher der UN-Hilfsorganisation für Palästinenser Abu Hasna über die schwierige Lage in Gaza infolge der Mittelkürzungen durch die USA

Adnan Abu Hasna, 55 Jahre alt, wohnt in Gaza, ist studierter Ingenieur und arbeitet heute als Medienberater für die UNRWA in Gaza.

taz: US-Präsident Donald Trump hat die Kürzung der Zahlungen an die UNRWA beschlossen. Was bedeutet das für Ihre Arbeit in Gaza?

Adnan Abu Hasna: Unsere Mittel waren schon vor der Kürzung knapp. Die UNRWA versorgt mehr als eine Million Menschen im Gazastreifen mit Lebensmitteln. Wir haben über 270.000 Kinder an unseren Schulen, und die UNRWA-Kliniken zählen mehr als vier Millionen Krankenbesuche jährlich. Wir fürchten, dass uns die Kürzungen der USA in die Ecke drängen. Wir wissen keinen Ausweg. Die Lage ist sehr schwer.

Haben Sie Hoffnung auf alternative Geldgeber?

Die Amerikaner sind die größten Geldgeber. Sie sind seit Jahrzehnten auf Platz eins in Sachen Spenden an die ­UNRWA. Wir organisieren derzeit einen internationalen Spendenaufruf. Zielgruppe ist vor allem der private Sektor sowie palästinensische Unternehmen und wohlhabende Privatleute in der islamischen und arabischen Welt. Außerdem ist für Anfang März eine Konferenz der Außenminister geplant, zu der wir die ganze Welt einladen. Wir werden dort über die schwierige Situation im Gazstreifen berichten und hoffen, dass auch der Westen und Europa uns helfen werden.

Kritisiert wird, dass die ­UNRWA das Flüchtlingsproblem seit Jahrzehnten verstetigt, anstatt es zu lösen. Warum ist in den letzten 70 Jahren keine wirtschaftliche Entwicklung in Gaza zu erkennen?

Das ist nicht unsere Aufgabe. Die UNRWA hat ein klares Mandat. Wir werden unsere Aufgabe fortsetzen, bis es eine Lösung für das Palästinenserproblem gibt. Danach richten wir uns. Wer über eine Veränderung entscheidet, ist die UN-Generalversammlung. Solange wir keine neuen Vorgaben aus New York bekommen, arbeiten wir weiter wie bisher.

Wen machen Sie für die wachsende Not der Menschen verantwortlich?

Gaza wird seit über zehn Jahren belagert. Die UNRWA hilft mit Lebensmitteln und mit Medikamenten, aber es fehlen Jobs. 42 Prozent der Leute sind arbeitslos. Für sie gibt es kein Morgen, keine Träume, nichts. Hauptgrund für die Lage sind die Besatzung und die Belagerung des Gazastreifens. Aber auch die palästinensische Teilung in zwei politische Lager macht es viel schwerer, einen Ausweg zu finden.

Welche Perspektive sehen Sie für die Menschen im Gazastreifen für das kommende Jahr?

Es ist furchtbar schwer vorauszusagen, was in den nächsten fünf Minuten in Gaza passiert. Was ich beobachte, ist, dass die Menschen die Hoffnung verlieren.

Interview: Susanne Knaul

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