: Ein Steak pro Jahr
Triathlet Patrick Lange übers Schlemmen in der staden Zeit, seinen Kontostand und die Freude über einen zweiten Platz
Interview Frank Hellmann
taz: Herr Lange, über Weihnachten zugelegt?
Patrick Lange: Wie alle anderen bin ich über die Festtage mehr am Schlemmen als am Sporttreiben. Ich ernähre mich allerdings vegetarisch – und das seit acht Jahren. Kein Fisch, kein Fleisch.
Kein Fleisch!?
Beim Fleischessen mache ich nur einmal im Jahr eine Ausnahme, wenn ich in Texas in einer Gastfamilie untergebracht bin und der Hausherr sein Barbecue zubereitet: Ich fände es respektlos, würde ich dann nicht dieses eine Steak essen.
Es heißt, dass Sie zum Frühstück Weizengrütze, Haferflocken, Trockenobst, Mandeln, Kokosraspeln, Sonnenblumenkerne und Zimt in Mandelmilch einweichen und mit Sojajoghurt und Obst garnieren. Das hört sich komplizierter als ein Weihnachtsmenü an.
Ist es aber nicht. Das steht alles in Gläsern in der Schublade. Das lässt sich auch im Halbschlaf mischen. Wenn man einmal gemerkt hat, was eine gesunde Ernährung mit dem Körper in Sachen Leistungs- und Regenerationsfähigkeit macht, dann wird das schnell selbstverständlich.
Brauchen Sie Zusatzpräparate?
Ich habe genetisch bedingt einen sehr hohen Verbrauch an Eisen, den ich mit Hülsenfrüchten nicht decken kann; das könnte ich wissenschaftlich aber auch nicht mit Fleischkonsum. Dazu führe ich Vitamin B12 zu. Und wenn ich in der Hochvorbereitungsphase auf Hawaii sechs, sieben Stunden hart trainiere, muss ich für den Energiebedarf auch mit Shakes, Energieriegeln und Eiweißpräparaten arbeiten.
Der hohe Fleischkonsum ist ein Grund für das Ungleichgewicht, aber auch den Hunger in der Welt. Spielt das auch eine Rolle?
Mit den für die Fütterung der Nutztiere verwendeten Ackerflächen könnte man ungefähr die doppelte Zahl von Menschen ernähren, wenn sich alle fleischlos ernähren würden. Also spielt die ethische Frage mit hinein. Bei mir sind es eher egoistische Motive: Ich merke in jeder Leistungsdiagnostik, dass meine Werte seitdem besser geworden sind. Hinzu kommt: Mein Onkel hat eine Metzgerei in Bad Wildungen, in der ich oft in den Ferien gearbeitet und Schweine geschlachtet habe. Und das hat mich eben auch geprägt …
Sie hat das abgeschreckt?
Mir ist das auf jeden Fall im Kopf geblieben. Und es hat nachhaltig etwas mit mir veranstaltet, obwohl ich bestimmt fünf, sechs Jahre weiter Fleisch gegessen habe. Ich behaupte: Jeder, der mal ein Schlachthaus von innen gesehen hat, wird schnell zum Vegetarier.
Stimmt es, dass Sie jeden Tag ein alkoholfreies Weizenbier trinken?
Nicht täglich. Aber es schmeckt mir tatsächlich sehr gut. Wenn ich in der Hitze trainiere, freue ich mich danach unheimlich darauf am Abend.
Meiden Sie Alkohol eigentlich komplett?
Während der Saison schon. Ich habe auch nicht das Gefühl, dass es mir in irgendeiner Form fehlt. Bei der Triathlon-Night habe ich zuletzt ein Bier getrunken, bei Essen mit Freunden mal einen Rotwein, aber ich kann mich kaum daran erinnern, dass ich mich betrunken gefühlt habe – das letzte Mal ist wohl vier Jahre her.
Stattdessen treiben Sie Sport in diesen Tagen.
An Heiligabend bin ich zuletzt in den Isar-Auen laufen gewesen, ohne Trainingsplan und Stress. Nur 15 Kilometer, ein lockeres Stündchen. Ich kann nicht den ganzen Tag nur herumsitzen. Und am Sonntag stehe ich in Frankfurt beim Silvesterlauf am Start.
Vor genau zwei Jahren standen Sie am Scheideweg und wären beinahe in ihren Beruf als Physiotherapeut zurückgegangen. Dann hat Ihnen ein Unternehmen ermöglicht, sich noch einmal für drei Jahre auf Triathlon zu konzentrieren. Inwieweit wurde Ihr Leben durch den Titel als Ironman-Weltmeister auf den Kopf gestellt?
Patrick Lange
Der 31-Jährige hat heuer den Ironman auf Hawaii gewonnen, mit 8:01:40 h war der für den DSW Darmstadt startende Ausdauerspezialist über die 3,8 km Schwimmen, 180 km Radfahren und 42 km Laufen in der Bucht von Kona so schnell wie kein anderer.
Mein Leben hat sich schlagartig verändert, aber Leben verändert sich immer. Ich sehe das wirklich positiv. Ich weiß zu schätzen, dass die gestiegene Popularität auch schnell wieder verfliegen kann, weshalb ich den Rest des Jahres genutzt habe, z. B. einige Talkshows aufzusuchen.
Merken Sie beim Blick aufs Bankkonto, dass Sie Hawaii-Sieger sind?
Natürlich. Der Sieger auf Hawaii bekommt 120.000 Dollar, da werden aber direkt 30 Prozent amerikanische Steuern abgezogen. Ich kann gewiss nicht sagen, ich lege die Füße hoch und muss mein Leben nicht mehr arbeiten.
Bei der Wahl zum Sportler des Jahres sind Sie Zweiter hinter dem Nordischen Kombinierer Johannes Rydzek geworden. Zufrieden?
Ich fand supertoll, dass ich dort aufs Treppchen durfte. Die Nordischen Kombinierer waren fast jedes Wochenende im Winter präsent – da können wir nicht mithalten. Daher ist mein zweiter Platz für den Triathlon eine coole Sache, weil wir immer noch Randsportart sind.
Vor zwei Jahren wurde der Ironman Jan Frodeno aber zum Sportler des Jahres gekürt.
Es geht bei dieser Wahl mehr ums Gesamtbild und weniger um sportliche Wertigkeit. Frodo hatte natürlich den Vorteil, vorher schon Olympia-Gold gewonnen zu haben. Er stand im Grunde jahrelang in der Öffentlichkeit, mich kennen die meisten erst seit drei Monaten. Außerdem muss man sich noch ein bisschen Luft nach oben lassen (lacht).
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