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Polizei-Panzerfahrzeug „Survivor R“Ein Produkt der Fantasie aus Sachsen

Das sächsische Spezialeinsatzkommando hat ein neues Panzerfahrzeug. Die Stickerei auf den Sitzen könnte Nazis gefallen.

Die Sitze sind mit einem Emblem der Einheit bestickt, das klar an Abzeichen der Wehrmacht erinnert Foto: dpa

Er war der Star der Milipol 2017, der weltgrößten Messe für innere Sicherheit, im November im Pariser Stadtteil Villepinte. Keiner der 29.000 Besucher wird den „Survivor R“ auf dem Rheinmetall-Stand übersehen haben: ein dreizehn Tonnen schweres Panzerfahrzeug, lackiert mit dem Schriftzug der deutschen Polizei, auf dem Dach ein Maschinengewehr, das die „Rechtslage in Deutschland allerdings noch nicht hergibt“, wie es später hieß. Die Messezeitung machte mit dem Survivor auf und jubelte, dieser sei „Designed to intimidate“, gestaltet also, um einzuschüchtern. Und damit hatte sie die Sache erfasst.

Drei Bundesländer haben das Gefährt bestellt, Sachsen orderte im Februar zwei der Panzerfahrzeuge. Nun lieferte Rheinmetall das erste Gefährt an das Sächsische Spezialeinsatzkommando in Leipzig aus. Auf einem Video der Übergabe ist zu sehen, dass die Sitze mit einem Emblem der Einheit bestickt sind, das klar an Abzeichen der Wehrmacht erinnert, der Schriftzug „Spezialeinsatzkommando Sachsen“ ist in Frakturschrift.

Ungute Anklänge also, zumal ebenjenes Spezialeinsatzkommando bereits im September in die Schlagzeilen geraten war: Ein Polizist der Einheit hatte bei einer Antifa-Demo in Wurzen einen Aufnäher mit „Odins Rabe“, einem Symbol von Rechtsextremisten, auf seiner Uniform getragen.

Das sächsische Innenministerium erklärte am Sonntag, der Survivor sei vom „Hersteller so ausgeliefert“ worden, was unterschlug, dass Sachsen die Stickerei natürlich bestellt hatte. Dabei sind in dem 234 Seiten dicken „Markenhandbuch“ des Freistaats Sachsen weder Frakturschrift noch der Eichenkranz vorgesehen, wie die Berliner Morgenpost recherchierte.

„Das SEK verwendet dieses Logo seit 26 Jahren, und noch nie hat das jemanden gekratzt“, sagte der Pressesprecher Tom Bernhardt der taz. „Wir haben in dem Logo noch nie etwas Rechtsextremes gesehen, und es hat auch nichts mit rechtsradikalen Devotionalien zu tun“, sagte er. Als das sächsische SEK 1991 gegründet worden sei, habe man das Logo als „Fantasieprodukt“ entwickelt, das dem des baden-württembergischen Spezialkommandos ähnelte.

Logo nur zur internen Verwendung gedacht

Die Krone, also der Kranz in der Mitte, sei eine Anspielung auf den polizeiinternen Rufnamen des sächsischen SEK: Krone. Die Löwen seien aus dem Wappen der Stadt Leipzig übernommen, in der das SEK gegründet wurde. Und Schwingen, also die Streifen rechts und links, fänden sich in vielen Logos.

Zur Frakturschrift sagte Bernhardt: „Haben Sie mal die FAZ angeguckt? Die haben ihr Logo auch in Fraktur.“ Die Schriftart sei außerdem im Nationalsozialismus verboten gewesen. Dass sie heute von Neonazis gern benutzt werde, dafür könne das SEK ja nichts, so Bernhardt. Zudem sei das Logo auch nur zur internen Verwendung gedacht gewesen. Nach dem Shitstorm, den die sächsische Polizei nun abbekommt, müsse man aber überlegen, wie man künftig mit Logo und Schriftart umgehe.

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Tatsächlich dürfte die Sache keineswegs so unschuldig in die Welt gekommen sein, wie die Polizei es darstellt. Denn der Subtext, den das furchterregende Gefährt mit sich bringt, ist das Gegenteil einer Polizei, die auf Deeskalation und demokratische Kontrolle des staatlichen Gewaltmonopols ausgerichtet ist. Wer den Survivor schickt, setzt schon rein atmosphärisch auf Eskalation, Macht und Gewalt – so wie mit dem seit G20 ausufernden Einsatz von Spezialeinsatzkommandos gegen Demonstrationen insgesamt.

„Vor allem“ sei das Panzerfahrzeug für den Einsatz bei „Amok- und Terrorlagen“ gedacht, erklärte das sächsische Innenministerium auf Twitter. Man darf das getrost so verstehen, dass der Survivor, wenn er erst einmal da ist, auch bei linken Demos nicht in der Garage bleiben wird. „Der fährt normal auch bei Demonstrationslagen und Ähnlichem“, beteuerte etwa Klaas Krause, Projektleiter bei Rheinmetall Defence, im Imagefilm des Survivor.

Militärische Technik in der zivilen Aufstandsbekämpfung will vor allem einschüchtern. Wenn der drei Meter hohe Survivor anrückt, besetzt mit Polizisten, die bewaffnet sind wie Soldaten, braucht die Einsatzleitung keine Sitzblockade mehr von Hand wegzuräumen. Die AfD, die ab 2019 in Sachsen regieren will, führt in den sozialen Medien bei jeder Gelegenheit ihre Gewaltfantasien gegen Linke aus. An der Vorstellung, ihnen Panzer auf die Straße schicken zu können, wird sie ihre helle Freude haben.

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15 Kommentare

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  • "Als das sächsische SEK 1991 gegründet worden sei, habe man das Logo als „Fantasieprodukt“ entwickelt"

     

    Das ist natürlich eine erstklassige Erklärung: schon damals wollte man also gerne die alten teutschen Werte hochhalten? Und jetzt, heute, nach unzähligen Vorwürfen bzgl. rechter Gesinnung im Polizeiapparat, ist man nicht fähig, darüber kritisch nachzudenken, sondern trägt das eindeutig assoziierbare Wappen immer noch stolz vor sich her?

    Oder vielleicht: gerade JETZT?

     

    Die Ausrede, "das Fahrzeug wurde so ausgeliefert" ist an Lächerlichkeit nicht zu überbieten. Natürlich, denn es wurde ja so bestellt. Der Hersteller stickt das doch nicht eigenmächtig rein - allenfalls tut da die eine rechte Hand der anderen einen augenzwinkernden Gefallen "unter uns kruppstahlharten Jungs".

  • Das Logo besteht ziemlich offensichtlich aus dem Wappen des Königreiches Sachsen, umrahmt vom Logo der nationalsozialistischen Ordnungspolizei. Die Fraktur unterstreicht diesen Bezug. Die Standarte des Polizeichefs war dazu noch, so Wikipedia, in den Hintergrundfarben Grün-Weiß gehalten.

     

    Das läßt sich also recht fix im Netz nachrecherchieren. Nun, ein Schuft, wer übles dabei argt, daß dies in einem solchen Fahrzeug prunkt.

  • Woran erkenne ich Nazis?

     

    An drei oder vier breiten Streifen, an einem überdesignten Adler, einem Lorbeerkranz, einem sächsischen Staatswappen, einem Krönchen und an Frakturschrift.

     

    Oder an einem kranken Hirn das immer und überall nur noch Nazis sieht?

    • 8G
      84935 (Profil gelöscht)
      @Werner S:

      An der Zusammenschau vieler kleiner Details! Und da habe ich schon länger ein ungutes Gefühl hauptsächlich im Osten. Wenn Sie endlich das rechte Auge aufmachen, ist es wahrscheinlich schon zu spät...

  • 8G
    82278 (Profil gelöscht)

    "Wer den Survivor schickt, setzt schon rein atmosphärisch auf Eskalation, Macht und Gewalt"

     

    Richtig. Nennt sich "Gewaltmonopol des Staates". Alternativ könnten wir auch das Waffenrecht lockern.

     

    Im übrigen it das ganze ein Sturm im Wasserglas. Wenn Logo tatsächlich Anfang der 90er kreiert, dürfte es sich um einen Versuch der Identitätsstiftung in unruhiger Zeit handeln und sollte nicht grundlos vertefeufelt werden. Um einen gewissen Korps-Geist wird man besonders bei der schwere der Aufgaben, die sich den SEKs stellen, nicht ganz herumkommen. Und warum sollte man das auch?

  • Wenn die Nähe der sächsischen Polizei zum Rechtsextremismus nicht so gefährlich wäre, könnte man die Erklärungsversuche lustig finden.

    Für jeden Faktor hat man eine Verharmlosung parat, nur was das Gesamtbild hergibt, darüber scheint sich niemand Gedanken zu machen.

    Klar, Löwe und Krone sind Teil vieler Wappen. Daran stört sich auch niemand.

    Nur die Kombination von Kranz, Schwingen und Fraktur - dass das in der Summe mehr als offenkundig rechtsextreme Symbolik ergibt, da muss man schon ganz gezielt vorbeiargumentieren, um das unschuldig zu finden.

    Dass so ein Symbol "nach innen identitätsstiftend" sein soll, sagt viel über die Polizei und ihr Selbstbild aus.

     

    Und mit all dem hat es Sachsen auch noch geschafft, die Hochrüstung der Polizei auf Quasi-Militärniveau in den Hintergrund zu drängen.

  • Wenn man schon die Bundeswehr nicht im Inneren einsetzen darf, so kann man doch wenigstens die Polizei auf Armeeniveau hochrüsten. Alles schön getreu der Verfassung und für die Beamten ist sogar noch eine Runde "Pimp my Reich" drin. Deutschland geht es gut, das ist ein Grund zur Freude.

    • @Ivande Ramos:

      Man darf doch längst die Bundeswehr im Innern einsetzen, auch ganz dezidiert militärisch. Die rechtliche Grundlage dazu wurde bereits 2012 im Bundestag geschaffen.

    • @Ivande Ramos:

      Satire?? Oder ist das etwa ernst gemeint? Der Satz "Deutschland geht es gut, das ist ein Grund zur Freude." lässt böses vermuten..

  • Ein wunderbarer Brückenschlag von einem aufgestickten Logo hin zu wild um sich schießenden Polizisten die in einem Panzerwagen durch eine Sitzblockade brechen. Wenigstens das Feindbild ist konsequent!

    • @Frank Stippel:

      Sie haben wohl diesbezüglich keine Erfahrungen bisher gemacht?

       

      Kommen Sie mal nach Sachsen, alternativ auch nach Hamburg und Sie können am eigenen Leib erleben - und wenn Sie Glück haben, auch überleben - wie mensch als Demonstrant*in weg geräumt wird, wenn man auf der vermeintlich linken Seite steht.

  • 8G
    81622 (Profil gelöscht)

    Unglaublich, mit welcher Unverfrorenheit der "Freistaat" Sachsen ihre rechtsextreme Gesinnung in ihre Bürokratie einbinden kann. Ich schlage vor, den guten alten "antifaschistischen Schutzwall", wieder hochzuziehen (diesmal aber vom Westen aus). Dann können die Sachsen mit ihrem tollen "Survivor R" entlang ihrer Grenze patroulieren, um sich besser alles Linke und Fremde schützen zu können. Eine Alternative wäre, diesen "Freistaat" in die Nachbarländer, Tschechische Republik und Polen, einzugemeinden, da sie dort mit ihren dumpfen Nationalismus auf viel Gegenliebe stossen werden.

    • @81622 (Profil gelöscht):

      Dann beantrage ich schon mal Umzugshilfe oder Asyl. Danke.

  • Gab es in Sachsen schon mal Demos, bei denen so ein Kampfpanzer erforderlich gewesen wäre? Wüsste nicht...aber angeben kann man damit natürlich prima.

    Rechtsorientiertes Design wundert jetzt irgendwie nicht...hätte man ja bei den allgegenwärtigen Verdächtigungen auch von sich aus drauf verzichten können.

    Aber nein, man muss ja Spass haben bei der Arbeit und schliesslich werden ja die teutschen Werrrte verteidigt...

     

    Im Grunde darf man ja fast dankbar sein, dass die Signale aus dem Osten so nazisstisch eindeutig sind, welche Gesinnung da vorherrscht bei den Executiven: wir können das, also machen wir das, uns doch egal, wer sich darüber aufregt.

    Und die hohe Politik schaut ganz sicher mal wieder weg...

    • @Mitch Miller:

      In Sachsen braucht es eigentlich solche Kampfpanzer auf Demos nicht, denn die guten alten rechten Neonazi-Kumpanen der sächsischen Polizisten machen das ehrenamtlich sehr gerne in zivil mit Manpower. Logisch, dass dann auch keine Polizei zur Hilfe kommt, obwohl mensch mitten in der Stadt bei einer angemeldeten friedlichen PEGIDA-Gegendemo ist und Live-Musik lauscht. Genauso nach sächsischer Logik ist, dass die "ehrenamtlichen Helfer" bei helllichtem Tage die große Wilsdruffer Straße einmarschieren (Dresden, Oktober 2015). Oder in Leipzig die Polizisten persönliche Daten von linken Gegen-Demonstranten an rechte Lokalpatrioten raus geben.