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Coup in Brüssel: Fünf weitere Jahre Glyphosat

Gegen den Willen des SPD-geführten Umweltministeriums winkt Deutschland die neue EU-Zulassung des am meisten eingesetzten Pestizids durch

Protest gegen Jean-Claude Juncker und die Weiterzulassung von Glyphosat in Brüssel Foto: Dirk Waem/dpa

Von Jost Maurin

Die EU-Mitgliedstaaten haben völlig überraschend die Zulassung des umstrittenen Unkrautvernichters Glyphosat um fünf Jahre verlängert. Deutschland und 17 der 28 EU-Länder stimmten am Montag für einen entsprechenden Vorschlag der EU-Kommission, wie das Bundesumweltministerium der taz bestätigte. Neun Staaten votierten dagegen, einer enthielt sich. Die deutsche Stimme sorgte für die nötige Mehrheit.

Glyphosat ist der meistverkaufte Pestizidwirkstoff. Im März 2015 stufte ihn die Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation (IARC) als „wahrscheinlich krebserregend“ ein. Die Wissenschaftler beriefen sich insbesondere auf beunruhigende Ergebnisse von Tierversuchen. Rückstände der Chemikalie finden sich immer wieder in Lebensmitteln. Auch die Artenvielfalt ist gefährdet: Glyphosat zerstört so gut wie alle nicht gentechnisch veränderten Pflanzen auf dem Feld und damit laut Umweltbundesamt auch Nahrung beispielsweise für Vögel.

Die Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) kritisierte denn auch die deutsche Zustimmung als Vertrauensbruch. Sie habe noch am Montag gegenüber Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) erklärt, sie sei „mit einer Verlängerung der Zulassung von Glyphosat weiterhin nicht einverstanden“. Dennoch habe der Vertreter des Landwirtschaftsministeriums in Brüssel für den Antrag der EU-Kommission gestimmt – wer an „Vertrauensbildung zwischen Gesprächspartnern interessiert“ sei, könne sich so nicht verhalten, sagte Hendricks.

Bei einer Abstimmung vor gut zwei Wochen hatte sich die Bundesregierung noch enthalten. Grund waren gegensätzliche Haltungen der zuständigen Ministerien: Das CSU-geführte Agrarministerium war für die Zulassung, das SPD-Umweltministerium dagegen.

Der geschäftsführende Landwirtschaftsminister Schmidt verteidigte sein Abstimmungsverhalten. „Mit unserer heutigen Zustimmung zur weiteren Zulassung von Glyphosat für fünf Jahre konnten wir wichtige Bedingungen durchsetzen“, sagte Schmidt der Rheinischen Postlaut Vorabbericht.

Der Minister nannte die „Stärkung der Rolle von Biodiversität und Tierschutz“, weitere Aufklärung im Hinblick auf die gesundheitlichen Gefahren für den Menschen und eine „Prüfung der Optimierungsmöglichkeiten des Genehmigungsverfahrens für Pflanzenschutzmittelwirkstoffe“.

Schmidt begründete das deutsche Abstimmungsverhalten in Brüssel auch damit, dass die EU-Kommission „sich ohnehin für die Verlängerung der Zulassung von Glyphosat entschieden“ hätte. „Die Kommission hätte damit den Wirkstoff ohne diese Bedingungen verlängert.“ National werde man zusätzliche Maßnahmen im Sinne restriktiverer Anwendungen ergreifen, versprach Schmidt.

Hendricks wies diese Argumentation aber zurück. Sie habe Schmidt unmittelbar vor der Entscheidung am Telefon klar gemacht, dass sie die Neuzulassung nicht unterstütze, „auch nicht unter bestimmten Konditionen“.

Der agrarpolitische Sprecher der Grünen im Europaparlament, Martin Häusling, sprach von einem „Glyphosatskandal“. „Die Entscheidung zugunsten des umstrittenen, unter Krebsverdacht stehenden Totalherbizids Glyphosat hat Europa dem desolaten Zustand der Regierungsbildung in Deutschland zu verdanken. Das Umschwenken von einer Enthaltung in dieser Frage zur Zustimmung liefert uns einen Vorgeschmack auf die künftigen Machtverhältnisse in Berlin“, teilte der Abgeordnete mit. „Das Verhalten von Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) ist instinktlos und skandalös.“

In der EU wird seit Jahren über Unkrautvernichter gestritten. Studien kamen zu unterschiedlichen Ergebnissen, ob Glyphosat krebserregend sein könnte oder nicht. Die bisherige Zulassung für Glyphosat läuft am 15. Dezember aus.

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