die dritte meinung: Der BND späht Bürger und Journalisten aus und bricht täglich unsere Gesetze, sagt Christian Mihr
Christian Mihr
ist Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen e. V. in Deutschland. Die international tätige Nichtregierungsorganisation setzt sich seit 1985 für die Pressefreiheit und gegen Zensur ein.
Der zum BND-Aufklärungsausschuss mutierte NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags hat im Juni seine wichtige Arbeit beendet. Nicht beendet wurde die anlasslose Massenüberwachung unbescholtener Bürger und von Berufsgeheimnisträgern wie Journalisten: Die Datenstaubsauger des Auslandsgeheimdienstes BND durchforsten täglich die komplette E-Mail-Kommunikation zwischen Deutschland und dem Ausland. Auf Grundlage dessen, was wir bisher über die massenhafte Spionagepraxis des BND wissen, geht Reporter ohne Grenzen (ROG) somit davon aus, dass der BND auch unsere jährlich knapp 280.000 ins Ausland verschickten E-Mails nach willkürlichen Kriterien ausforscht und somit systematisch deutsche Gesetze und internationale Rechtsnormen bricht.
Das ist fatal: Für Journalisten aus Deutschland und aus autoritären Staaten wie Ägypten, der Türkei oder China gilt ROG als vertraulicher Ansprechpartner. Der BND stellt nicht nur den journalistischen Quellenschutz als Wesenselement der Pressefreiheit infrage. Mindestens genauso schlimm: Wenn ein demokratischer Rechtsstaat wie Deutschland bei der Überwachung jede Frage nach der Verhältnismäßigkeit über Bord wirft, liefert das den Putins und Sisis der Welt Argumente, es ihm gleichzutun.
Diese Steilvorlage für Diktatoren möchte ROG ausbremsen und hat nun vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) gegen die anlasslose BND-Massenüberwachung geklagt. Der mutmaßliche Zweck der Massenüberwachung heiligt nicht das Mittel des praktisch unbegrenzten Zugriffs durch ausufernde BND-Suchkriterien.
Das Straßburger Gericht soll mit unserer Klage auch ein weiteres Problem der deutschen Geheimdienstkontrolle klären: Deutsche Gerichte haben in der Vergangenheit vergleichbare Klagen gegen den BND stets mit der Begründung abgewiesen, dass die Kläger ihre Überwachung nicht glasklar beweisen konnten. Doch wie eine geheime BND-Überwachung zu belegen ist, darf kein Geheimnis des BND sein. Der EGMR soll helfen, das Geheimnis zu lüften.
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