Koalitionsvertrag in Niedersachsen: Das Geld sitzt locker

Die niedersächsische Groko will den Wolf jagen und den Diesel schützen. In den kommenden Jahren wollen die Parteien Milliarden Euro ausgeben

Harte Gangart fürs Niedersachsenross beim Thema Justiz: Weil und Althusmann Foto: Peter Steffen/dpa

HANNOVER | taz Zack. Da sitzen die Unterschriften drunter. Nur zwei Wochen lang haben SPD und CDU in Niedersachsen ihren Koalitionsvertrag ausgehandelt, dann noch schnell die Parteigremien zur Beratung hinzugezogen und die meckernden Jusos überstimmt. Die hatten sich als Einzige lautstark daran gestört, dass die SPD nun mit den einst verhassten Konservativen koaliert – und dann noch nicht einmal die Ministerämter paritätisch besetzt. Der Koalitionsvertrag ist nun trotzdem fix.

SPD und CDU wollen investieren: 1.000 neue Lehrer, bis zu 3.000 neue Stellen bei der Polizei, gebührenfreie Kitaplätze im ganzen Land, eine Milliarde Euro bis 2022 für den Masterplan Digitalisierung, der dafür sorgen soll, dass auch das letzte Dorf in Niedersachsen Glasfaserkabel für schnelles Internet bekommt.

Für den Mittelstand soll es Gründungsstipendien im Wert von zwei Millionen Euro pro Jahr geben. Dazu kommen noch 1,5 Milliarden Euro für den Ausbau der Ganztagsschulen und auch die Landeszentrale für politische Bildung soll besser finanziert werden.

Das Geld sitzt dank üppiger Steuermehreinnahmen locker. Laut der November-Steuerschätzung des bisherigen Finanzministers Peter-Jürgen Schneider (SPD) hat das Land allein in diesem Jahr rund 720 Millionen Euro mehr als erwartet. Die Koalition verpflichtet sich denn auch trotz der Investitionen, „keine neuen Schulden“ zu machen und den „Einstieg in die Tilgung von Altschulden“ anzustreben. Das aber ist dem Bund der Steuerzahler nicht genug.

Die zusätzlichen Gelder würden nahezu komplett verplant, der Schuldenabbau bleibe zu vage, sagte der Landesvorsitzende des Verbandes, Bernhard Zentgraf. „Ich befürchte, dass diese Schieflage der Groko die Steuerzahler am Ende teuer zu stehen kommt.“

Kritik kommt auch vom Nabu

Auch der Naturschutzbund Nabu kritisiert den Vertrag. SPD und CDU wollen nicht nur den Autobahnbau voranbringen und Lücken, etwa bei der A26 zwischen Jork und Hamburg schneller schließen, sondern auch den Jade-Weser-Port ausbauen, obwohl der bisher nicht ausgelastet ist. Der Nabu nennt das in einer Pressemitteilung „naturzerstörende Projekte“.

Auszug aus dem Koalitionsvertrag

„Schariagerichte werden wir nicht dulden. […] Darüber hinaus werden wir das Tragen eines Kopftuchs für alle Mitglieder des gerichtlichen Spruchkörpers sowie Staatsanwältinnen inklusive Referendarinnen im Sitzungsdienst untersagen“

In der Landwirtschaft will die große Koalition am Tierschutzplan der beiden Vorgängerregierungen festhalten und den Einsatz von Antibiotika in Ställen weiter verringern. Am Anfang des Kapitels steht aber ein anderer Punkt: Die Partner wollen einen „konsensualen Maßnahmenkatalog“ erarbeiten, der eine „höhere gesellschaftliche Akzeptanz moderner bäuerlicher Landwirtschaft zum Ziel hat“.

Seitdem Tierschützer regelmäßig Fotos von schlechten Haltungsbedingungen veröffentlichen und der Tierschutz eine größere gesellschaftliche Relevanz hat, fühlen sich viele Landwirte vorverurteilt.

Der Nabu wolle sich gern an einer Debatte über eine neue Ausrichtung der Landwirtschaft in Niedersachsen beteiligen, sagte der Landesvorsitzende Holger Buschmann. „Sollte es allerdings nur um ein ‚Greenwashing‘ der derzeitigen umweltschädigenden Praktiken gehen, steht der Nabu hierfür nicht zur Verfügung.“

An den Pelz will die Groko überdies dem Wolf. Tiere, die wiederholt Schafe oder Rinder gerissen haben, sollen zukünftig erschossen werden dürfen. Dafür will die Koalition eine rechtliche Grundlage schaffen. Um die Deichschäfer zu entlasten, sollen „wolfsfreie Gebiete nach dem Vorbild Finnlands und Schwedens“ geprüft werden. Und wenn dem Wolf, wie vom Land beabsichtigt, ein „günstiger Erhaltungszustand“ attestiert wurde, sollen die Raubtiere ins Jagdrecht aufgenommen werden.

Diesel ja, Schariagerichte nein

Mehr Schonfrist gewähren SPD und CDU dem Diesel. Für das streng geschützte Kraftfahrzeug soll es keine Fahrverbote geben. Die Koalitionäre setzen stattdessen auf „intelligente Verkehrssteuerung“.

Eine härtere Gangart legen die Parteien beim Thema Justiz ein. „Schariagerichte werden wir nicht dulden“, schreiben SPD und CDU und bringen damit lediglich eine angstbeladene Debatte in den Koalitionsvertrag ein.

Konkret wird es allerdings, wenn SPD und CDU allen Richterinnen, Schöffinnen und Staatsanwältinnen das Tragen eines Kopftuches im Gerichtssaal verbieten wollen. Zwar hat der Europäische Gerichtshof im März geurteilt, dass so ein Verbot am Arbeitsplatz legitim sein kann, dem Grünen Helge Limburg fehlt aber die Gleichbehandlung: „Wer das Kopftuch verbietet, muss auch andere religiöse Symbole verbieten.“ Sonst werde der Islam diskriminiert.

Auf 138 Seiten Koalitionsvertrag blieb neben solchen gesellschaftspolitischen Debatten aber am Ende auch noch Platz für die schönen Dinge: „Wir wollen uns dafür einsetzen, dass ein Schiff der Marine den Namen ‚Niedersachsen‘ trägt“, schreiben SPD und CDU.

Heute wollen die Mitglieder der Groko damit beginnen, diese Ideen in die Tat umzusetzen. Die neue Regierung kommt im Landtag zum ersten Mal zusammen. Auf der Tagesordnung steht die Wahl des Ministerpräsidenten Stephan Weil (SPD).

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