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Charles Manson und die HippiesPeace, Love, Gewalt und Rassismus

Der Sektenführer und Mörder Charles Manson hat im hohen Alter abgedankt. Was das für die Hippiebewegung bedeutet.

Charles Manson bei einem Fernsehinterview 1981 Foto: ap

Ende der 1960er flüchteten junge Menschen aus der bürgerlichen Enge ihrer Elternhäuser, begehrten auf gegen Konvention und Moral. Es war die Zeit der Hippies, der Blumenkinder. Doch zwischen all den zarten Pflänzchen gedieh auch eine Blüte des Bösen.

Charles Manson war als Kind in schwierigen Verhältnissen gestartet und hatte als Kleinkrimineller bereits 20 Jahre Knast gesammelt, als er 1966 im Alter von 32 Jahren freikam und in den allgemeinen Trubel aus Peace, Love und Happiness stolperte.

Inmitten entrückter Hippiekommunen machte er eine Unterabteilung auf, die neben Musik, reichlich Sex und ebenso viel LSD auch Rassismus, Gewaltverherrlichung und Wahnsinn vor sich her trug. Die Minisekte bestand im Wesentlichen aus dem Guru und einer Reihe ihm höriger Frauen. Im Beatles-Song „Helter Skelter“ erkannte man die Prophezeiung eines Rassenkrieges, der Manson unweigerlich zum Herrscher der Welt machen würde. Um etwas nachzuhelfen, ermordeten die Killer-Hippies Reiche, Schöne und lästig Gewordene.

Eine merkwürdige Faszination aber blieb: Bis zu seinem Tod am Sonntag mit 83 war Manson als Inkarnation des Bösen immer auch Popstar – inklusive Fanpost und Heiratsanträgen. Die Hippiebewegung hat sich längst aufgelöst oder weiterentwickelt, nun ist auch ihre Antiikone gestorben.

Was bleibt? Zunächst die naheliegende Erkenntnis, dass zu viele Drogen einfach nicht gut sind

Was bleibt? Zunächst die naheliegende Erkenntnis, dass zu viele Drogen einfach nicht gut sind. Sowie die Mahnung, dass auch eine Bewegung mit hehren Motiven das blanke Gegenteil hervorbringen kann – weil irres Gefasel nicht weniger irre wird, wenn es innerhalb progressiver Strömungen erklingt. Querfront, Reichsbürger, Chem-Trail-Jünger und Reptilienmenschen lassen grüßen.

Aber auch wenn mit Manson die Hippiebewegung endgültig gestorben ist – vielleicht hilft es ja grade jetzt, sich auf deren Ur-Anliegen zurückzubesinnen: What’s so funny about Peace, Love, and Understanding?

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4 Kommentare

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  • Zitat: „Was bleibt? [] die Mahnung, dass auch eine Bewegung mit hehren Motiven das blanke Gegenteil hervorbringen kann.“

     

    Womöglich sollte sich Heiko Werning tatsächlich besinnen auf die Frage, was falsch sein soll an Frieden, Liebe und Verständnis. Wenn er damit fertig ist, posaunt er vielleicht nicht mehr solche unsinnigen Behauptungen in die Welt wie die, Charles Manson sei von der Hippiebewegung HERVORGEBRACHT worden.

     

    Mansons Mutter, die grade 16 war bei seiner Geburt, hat wegen bewaffneten Raubüberfalls in Haft gesessen, sein Vater war unbekannt. Seine Jugend hat Manson überwiegend in diversen Erziehungsheimen und Besserungsanstalten zugebracht. Seit er 16 war, saß er mit kurzen Unterbrechungen im Knast, wo er misshandelt und missbraucht wurde. Peace, love and understanding hat dieser Typ gar nicht erlebt, wenn man den Biografen glaubt. Die „Konventionen“, die „Moral“ und die „Enge“ der bürgerlichen Elternhäuser, aus denen die Hippies in den 1960-ern geflüchtet sind, waren definitiv nicht Mansons Problem.

     

    Hervorgebracht hat dieses Monster die US-Gesellschaft, die weder willens noch imstande war, sich so um das Kind, das es gewesen ist, zu kümmern, wie es nötig gewesen wäre. Die Hippies haben lediglich versagt, als es drum ging, das Böse zu erkennen, das andere geschaffen hatten. Sie waren wohl doch zu behütet aufgewachsen, zu sehr auf sich und ihre Luxusprobleme fixiert, als dass sie Mansons „irres Gefasel“ als das hätten erkennen können, was es war: Ein doppeltes Symptom, Ausdruck eines ernsthaft erkrankten Systems und einer ernsthaft erkrankten Person, kein simpler Drogenwahn.

     

    Es gab schlimmere Schicksale als ihre in der US-Nachkriegsrealität, das haben die Blumenkinder mehrheitlich nie gerafft. Wenn sie inzwischen tot ist, die Hippiebewegung, dann genau deswegen: Es hat ihr an Verständnis und an Liebe gefehlt – nicht für sich selbst, aber für alle anderen.

  • Hier ist die erste Definition einer Querfront in der Taz, zusammen mit zwei Leserbriefen, die dessen Fehler aufzeigen:

    https://www.taz.de/Archiv-Suche/!692643&s=querfront&SuchRahmen=Print/

    https://www.taz.de/Archiv-Suche/!690027&s=querfront&SuchRahmen=Print/

    https://www.taz.de/Archiv-Suche/!691079&s=querfront&SuchRahmen=Print/

     

    Bitte seid sparsamer mit dem Begriff — und definiert mal, wen ihr darunter versteht, und warum.

  • Ein schöner Traum, der von reaktionär Manipulierten verschiedener Gesellschaftsschichten ca. ab 1969 zerstört wurde. Comics von Robert Crumb beschreiben den Vorgang.

  • Was für ein Unsinn.Sorry