piwik no script img

Träume von Räumen

Mit ihrem Plan, den Neustädter Hafen zu einem Wohngebiet umzumodeln, erntet die CDU-Fraktion anderswo lediglich höfliche Skepsis, Ablehnung und Spott

Hat die Zukunft hinter sich: ex-Bausenator Jens Eckhoff, der Hoffnungsträger der Bremer CDU Foto: Benno Schirrmeister

Von Benno Schirrmeister

„Ahoi“, sagt Thomas Röwekamp und nimmt Platz, dann legt der Ausflugsdampfer ab. Die CDU-Fraktion will einen Vorschlag präsentieren oder gar, wie ihr Vorsitzender Röwekamp es nennt, „eine Vision“, wie sie ab 2020 mit dem durch die Neuregelung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen gewonnenen Spielraum umzugehen gedenkt. Es heiße ja immer, dass die CDU die zusätzlichen 400 Millionen, die das Land dann zur Verfügung haben soll, komplett in den Schuldendienst stecken will – „und das stimmt auch“, sagt Röwekamp.

Aber durch die Schuldentilgung spare man ja Zinsen und mit diesem Gewinn plus Umschichtungen sehe man sich in der Lage, „ein Investitionsprogramm in der Höhe von drei Milliarden Euro“ aufzulegen. Das klingt fast so vertrauenerweckend wie Hütchenspielen. Und ein Teil davon soll in die Realisierung der Vision für den Neustädter Hafen fließen, die er mit Jens Eckhoff an Ort und Stelle präsentieren wollen: Um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, schlage man nämlich vor, „in diesem Areal einen neuen Stadtteil zu entwickeln“.

Dort, wo derzeit noch die Bremer Lagerhausgesellschaft (BLG) Europas größten Stückguthafen betreibt, soll – so die Eingebung der Unionsgranden – Wohnraum für rund 15.000 Menschen entstehen, mit Tram-Anschluss, Sportplatz und Kita, bis 2035. Sicher nicht vor 2027, denn bis dahin läuft der Pachtvertrag der BLG noch. „Wir stehen ganz am Anfang eines Diskussionsprozesses“, räumt Eckhoff ein. „Aber wenn man will, dass etwas geschieht, muss man irgendwann damit anfangen.“

Das Echo, das der Vorstoß auslöst ist – bestenfalls verhalten. Auf harsche Kritik stößt er beispielsweise in der Hafenwirtschaft: „Da halte ich gar nichts von“, sagt Heiner Heseler, der Geschäftsführer der Initiative Stadtbremische Häfen, der Interessenvertretung von rund 50 in Bremen ansässigen mittelständischen Unternehmen der maritimen Wirtschaft. „Das widerspricht unseren Interessen“ und komme zudem zu einem Zeitpunkt, an dem der Umschlag dort deutlich anziehe.

„Der Vorstoß der CDU ist spannend und interessant, wenngleich nicht ganz neu“

Joachim Lohse (Grüne), Bausenator

Etwas mehr Sympathien erntet die Vision bei Bausenator Joachim Lohse (Grüne). Der nennt den Vorschlag „spannend und interessant“, und verweist darauf, dass „wir Grünen dies als Prüfauftrag in den aktuellen Koalitionsvertrag geschrieben“ hätten. Die Themen Stadtentwicklung und Wohnungsbau seien zwar „zu wichtig, um solche Projektideen pauschal abzulehnen“. Allerdings gebe es weder akuten zusätzlichen Flächenbedarf angesichts von Projekten wie dem Hulsbergquartier, der Gartenstadt oder der Galopprennbahn noch seien die ansässigen Betriebe einfach umzusiedeln, da müsse man „sehr genau hinschauen, was mit den im Hafen angesiedelten Unternehmen passieren soll“.

Was sich die CDU für diesen Konflikt erträumt, dürften die Grünen dabei kaum teilen: Man müsse den betroffenen Unternehmen halt „Alternativstandorte anbieten“, sagt Röwekamp, und blinzelt ins gleißende Sonnenlicht, während hinter ihm die Balticborg gelöscht wird, ein großer Roll-on-Roll-of-Cargo. Die meisten wären „ohnehin nicht an den Hafen gebunden“, befindet der Fraktionsvorsitzende. Und für die anderen komme „ja das neue Gewerbegebiet Luneplate“ infrage: Die Spezialisierung des geplanten Offshore-Terminals haben Eckhoff und er sich nämlich vorsichtshalber schon mal weggedacht.

Beim Wirtschafts- und Häfensenator gibt man sich fassungslos: „Es fällt schwer, das als ernstgemeinten Vorschlag zu kommentieren“, so Ressort-Sprecher Tim Cordßen. Nicht nur, dass in der Folge das Güterverkehrszentrum den Wettbewerbsvorteil der trimodalen Anbindung verliere, also den Vorzug, auf dem Landweg, für Luftfracht und über Wasser gut erreichbar zu sein, „der Neustädter Hafen ist innerhalb der Stadtgrenzen der einzige mit Schwerlast-Kajen“, sagt Cordßen. Um das entsprechende Aufkommen verlagern zu können, müssten an anderer Stelle erst einmal die baulichen Voraussetzungen geschaffen werden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen