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In einer Kleinstadt erschießen zwei Männer einen 46-Jährigen. Jetzt müssen sie sich wegen Mordes verantworten
Es war wie eine öffentliche Hinrichtung mitten auf einer Straße: In der niedersächsischen Kleinstadt Visselhövede schossen Anfang des Jahres zwei Männer von einem Motorrad aus mehrmals auf einen Albaner. Er starb vier Tage später im Krankenhaus. Ein Geschoss durchschlug außerdem die Scheibe des Lehrerzimmers einer nahe gelegenen Grundschule, verletzte dort aber niemanden.
Nun müssen sich ein 23- und ein 24-Jähriger Mann aus Albanien von Donnerstag an wegen Mordes vor dem Landgericht in Verden verantworten. Ihr Motiv für die Tat soll nach Ansicht der Staatsanwaltschaft Blutrache gewesen sein. Der Fall hatte bundesweit für Schlagzeilen gesorgt.
Die beiden Verdächtigen sollen dem 46-Jährigen, der zu Fuß unterwegs war, am Vormittag des 9. Januars auf einem Motorrad entgegengefahren sein. Als sie ihn erreichten, bremste der Fahrer der Anklage zufolge ab, der andere Mann schoss zwölf Mal. Zwei Kugeln erwischten den 46-Jährigen am Kopf.
Der Getötete hatte nach Angaben der Staatsanwaltschaft vor etwa sechs Jahren ein Familienmitglied der Angeklagten in Albanien getötet und war dafür auch verurteilt worden. Wegen guter Führung kam er vorzeitig aus dem Gefängnis und flüchtete mit seiner Familie nach Deutschland, denn die Familie des Opfers hatte Blutrache geschworen und das Leben von drei Familienangehörigen des Täters gefordert.
Blutrache sei in Albanien zwar verboten, werde aber insbesondere in den ländlichen Regionen im Norden immer noch angewendet, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Nach dem Ehrenkodex informierten die Täter die Familie des Getöteten nach der Tat darüber, dass die Familienehre nun wieder hergestellt sei. Dies sei nach den tödlichen Schüssen im Januar aber ausgeblieben. Deshalb befürchtet die Anklagebehörde, dass die Blutrache noch nicht beendet sein könnte und Angehörige des 46-Jährigen weiter in Gefahr schweben könnten. (dpa)
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