piwik no script img

Ein Meister in Sachen Kundenbindung

Online einkaufen heißt für viele Kunden: bei Amazon einkaufen. Der Konzern versteht es, Käufer an sich zu binden. Für Kunden ist das zwar bequem, aber nicht unbedingt vorteilhaft

Für einen Händler ein Traum, weil es bedeutet, dass Kunden kaum noch Preise vergleichen

Von Svenja Bergt

Es ist ein Szenario, das das Management einer Supermarktkette sofort als unrealistisch verwerfen müsste: 90 Prozent der Deutschen kaufen bei ihr ein, neun Prozent exklusiv dort und 35 Prozent bezahlen dafür zusätzliche Leistungen wie kostenlose Lieferung.

Was für eine Supermarktkette unplausibel klingt, ist beim Online-Händler Amazon Realität. „Bei der Kundenbindung ist Amazon sehr stark“, sagt Sascha Berens, Projektleiter E-Commerce beim EHI Retail Institute. Wie sich das Kaufverhalten verändert, zeigen mehrere Untersuchungen. So gaben etwa bei einer Erhebung der Unternehmensberatung PwC 26 Prozent der befragten Amazon-Kunden an, seltener bei anderen Online-Händlern einzukaufen. Neun Prozent nutzen für Online-Käufe exklusiv Amazon.

Das sind Zahlen, die sich lediglich auf Amazon als Handelsplattform beziehen. Es geht also noch nicht um Kunden, die mit Amazon Prime eine Art Abo­dienst nutzen, für den sie monatlich knapp acht Euro zahlen und dafür unter anderem schnellere und teilweise kostenlose Lieferungen erhalten. Wie sich bei der Nutzung von Prime die Kundenbindung nochmals verstärkt, zeigt eine Untersuchung des US-Marktforschungsunternehmens Millward Brown. Sie stützt sich auf die für Online-Händler wichtige Konversionsrate. Die beschreibt das Verhältnis von Website-Besuchern, also Kunden, und getätigten Transaktionen, also Käufen. Drei bis vier Prozent gelten als normal, das heißt, dass drei bis vier von hundert Besuchern tatsächlich etwas kaufen. Für US-Nutzer des Prime-Dienstes kam die Agentur auf eine Konversionsrate von 63 Prozent. Für einen Händler ein Traum, weil es bedeutet, dass Kunden kaum noch Preise vergleichen. Auch konsultieren nur ein Prozent der Prime-Mitglieder im Zuge der gleichen Suche andere Anbieter.

Einen ebenfalls kundenbindenden Effekt hat der – mittlerweile auch in Deutschland erhältliche – Dash-Button. Das ist ein kleines, per WLAN mit dem Internet verbundenes Gerät, über das Verbraucher mittels Knopfdruck jeweils eine spezifische Ware nachbestellen können. Andere Händler oder alternative Produkte werden so direkt umgangen. Die Verbraucherzentrale NRW geht nach einer Abmahnung gerichtlich gegen das Unternehmen vor – weil unter anderem der beim Online-Handel obligatorische Hinweis fehle, dass es sich um eine kostenpflichtige Bestellung handele. Zudem behalte sich Amazon vor, gegebenenfalls einen Ersatzartikel zu versenden. Anfang Dezember ist laut Verbraucherzentrale der erste Gerichtstermin in der Sache angesetzt.

Die hohe Kundenbindung bedeutet aber auch: Amazon hat die Macht, Regeln zu diktieren – und zwar nicht nur Zulieferern, sondern auch Kunden. Dass sich das Unternehmen das leisten kann, zeigt etwa die jüngste Ankündigung des Konzerns: Er erhöhte die Preise für seinen Schnelllieferdienst Prime Now. Die Kunden müssen also noch etwas mehr zahlen – um darüber einkaufen zu dürfen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen