piwik no script img

Grüne und FDP streiten über den Soli

FDP-Vize Kubicki verspricht, den Soli in vier Jahren abzubauen. Doch die Grünen interpretieren die Finanzverabredung anders

Wolfgang Kubicki (FDP) Foto: dpa

Von Ulrich Schulte

Der Frieden hielt nicht mal über Nacht. Eigentlich hatten sich die Jamaika-Sondierer von Union, FDP und Grünen am späten Dienstagabend auf ein Papier zur künftigen Finanzpolitik geeinigt, das mancher Verhandler stolz auf Twitter präsentierte. Doch schon am frühen Mittwochmorgen war die Aufregung groß. FDP-Vize Wolfgang Kubicki hatte seine Deutung der Deutschen Presseagentur erzählt. Und jene war, aus Sicht der Partner, eigenwillig, um nicht zu sagen: bewusst falsch.

Die Schwarze Null, also ein Haushalt ohne Neuverschuldung, bleibe, sagte Kubicki. Zudem werde der Solidaritätszuschlag „in dieser Legislaturperiode komplett abgebaut“, fügte er hinzu. „Es ist ein geeintes Papier veröffentlicht.“ Die Ergebnisse, so Kubicki zufrieden, seien für ein Sondierungsgespräch ganz ordentlich. Ein Abbau des Soli in dieser Legislaturperiode? Das ist ein Herzenswunsch der FDP, doch die Grünen hatten die Verabredung in ganz anderer Erinnerung. Mehrere Spitzenpolitiker widersprachen im Laufe des Tages der FDP.

Er sei „sehr pessimistisch“, was einen kompletten Abbau des Soli in der kommenden Legislaturperiode angehe, sagte Grünen-Unterhändler Jürgen Trittin, der das Finanzthema Grünen-intern koordiniert, im ZDF-Morgenmagazin. Die vollständige Abschmelzung würde viermal 21 Milliarden Euro kosten, „das ist halt nicht drin“. Trittin betonte auch, die Grünen sähen in dem Papier kein Bekenntnis zur Schwarzen Null.

Der grüne Spitzenkandidat Cem Özdemir legte nach. Gemeinsames Ziel von Union, FDP und Grünen sei ein ausgeglichener Haushalt, sagte er. „Mit der Abschaffung des Solidaritätszuschlags wäre dieses Ziel für uns nicht mehr zu erreichen.“ Auch eine gezielte Entlastung unterer und mittlerer Einkommen sei dann nicht möglich. „Wolfgang Kubicki sollte endlich den Wahlkampf beenden.“

Das Ganze ist ein Deutungskampf: Während die FDP Steuersenkungen wie der Soli-Abschaffung den Vorrang gibt, wollen die Grünen das Geld lieber in Investitionen stecken. Allzu ernst sollte man das Getöse im Moment nicht nehmen. Den Soli in vier Jahren komplett abzubauen, wie es Kubicki fordert, würde zum Beispiel die schwarze Null torpedieren, die die Freidemokraten ja auch wollen.

Das Papier, das nach stundenlangen Verhandlungen veröffentlicht wurde, listet mehrere Anliegen auf, die sich die Parteien vornehmen. Die Gesprächspartner seien sich einig, dass die Schuldenbremse gelte, steht darin. Sie wollten einen ausgeglichenen Haushalt. Ob das eine schwarze Null bedeutet, also den Verzicht auf neue Schulden, ist Ansichtssache – ein ausgeglichener Haushalt lässt sich auch mit Neuverschuldung erreichen. In dem Papier stehen Anliegen aller vier Parteien. So soll etwa der Solidaritätszuschlag abgebaut, Familien mit Kindern sowie Leute mit mittleren und niedrigen Einkommen sollen entlastet werden. Auch die Förderung der energetischen Gebäudesanierung, die Förderung des Mietwohnungsbaus oder der Abbau von Subventionen werden genannt.

Alle Maßnahmen lassen sich nicht gleichzeitig umsetzen, weil dafür das Geld bei Weitem nicht reicht. Bei den Grünen betonte man, es gebe nun „eine gemeinsame Arbeitsgrundlage“, welche aber weiter verhandelt werden müsse. Auch in der Nacht liefen die Verhandlungen nicht ohne Ruckeleien. Die FDP sei mit Wahlkampfforderungen aufgetreten und habe sich geweigert, Kosten für ihre Ideen zu benennen, hieß es bei den Grünen. Als Kanzlerin Merkel den Stand aus Sicht der Ökopartei ungenau zusammenfasste, beantragte die grüne Delegation eine Pause. Danach wurden vier Verhandler der Parteien beauftragt, das Papier zu formulieren.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen