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Mister Exzellenz

Mit hohen Erwartungen wurde Dieter Lenzen 2010 an die Uni Hamburg geholt. Dort wurde aus dem Exzellenzmacher erst mal ein Kritiker

Von Kaija Kutter

Dieter Lenzen, Not my President. Sie denken Bildung neu und machen uns ein echt tolles Geschenk“, singt eine knarrige Jungmänner-Stimme in einem Video, das immer noch auf Youtube steht. 2009 war der Präsident der Freien Universität Berlin für linke Studierende eine Reizfigur. Eine Initiative trug Pappschilder mit seinem kahlen Konterfei durch die Mensen, sammelte 2.500 Unterschriften für eine Urabstimmung zur Abwahl des 61-Jährigen als FU-Präsident. Sie stritten gegen „Maluspunkte“, für Gleichberechtigung und Demokratie. Auch in Hamburg, wohin er dann wechselte, wurde der Erziehungswissenschaftler frostig empfangen. Das Audimax war über Wochen besetzt.

Würde er auch die Hamburger Universität auf Exzellenz trimmen? War er dafür vom damaligen CDU-Bürgermeister Ole von Beust an die Elbe geholt worden? Bei einer Festrede zum 90. Geburtstag der Uni – die unter Insidern als heimliche Bewerbungsrede galt – umgarnte er sie: „She is a Lady“, und skizzierte bereits eine „Internationalisierungsstrategie“.

Die konservative Berliner Hauptstadtpresse trauerte über den Weggang dieses Machers, der es 2007 geschafft hatte, der von Schließung bedrohten West-Uni noch vor der Berliner Humboldt-Universität als „International Network University“ den Exzellenztitel zu holen. Der aber auch von Professoren kritisiert wurde, dass er in seinem Apparat zu viel Macht horte. Lenzen, der schon mit 28 Jahren Professor für Philosophie der Erziehung wurde, galt als Hans Dampf in allen Gassen, auch von bundespolitischem Gewicht.

Noch einmal Exzellenz bitte? Sollte die Hamburger Uni nach Raketenforscherin Monika Auweter-Kurtz, die wegen ihres autoritären Führungsstils samt Maulkorb für Professoren abgewählt wurde, wieder einen autoritären Macher vorgesetzt bekommen? Die Berliner Studis mussten Gründe für den in Song gegossenen Groll haben.

Es kam dann alles ein bisschen anders. Noch bevor er sein Amt antrat, schickte er jedem der 38.000 Studierenden einen Brief nach Hause, in dem er mehr Demokratie und Freiräume versprach. Lenzen redete mit den Menschen und hörte zu. Er wunderte sich. Die Uni sei ein toller Laden. Im Unterschied zu den Berlinern seien Hamburgs Studierende „richtig freundlich“, grüßten und hielten einem die Tür auf. Bei einem Vortrag ein halbes Jahr später zu seinen Plänen in der Hamburger Bucerius Law School warnte er die Zuhörer vor der überhöhten Erwartung, man werde 2012 beim Exzellenzwettbewerb gewinnen. „Sie leben in einer Stadt mit einer sehr leistungsfähigen Universität“, sagte er. Gleichwohl liege die Erfolgswahrscheinlichkeit bei „unter fünf Prozent“. Gebe es doch etwa 600 Antragsteller und 30 Gewinner.

Ein halbes Jahr später sagte Lenzen der taz: „Es gibt ein Burn-out-Syndrom bei vielen Beschäftigten. Das hat auch etwas mit dem Irrsinnsdruck aus dem Bologna-Prozess zu tun. Und es hat etwas damit zu tun, dass Universitäten ständig in Wettbewerben an ihr Geld kommen müssen.“

Lenzen habe begriffen, dass er an einer linken Uni ist, und stricke seine Konzepte danach, sagt eine Beobachterin. Für die nächste Exzellenzrunde entwarf er das Zukunftskonzept einer nachhaltigen Universität, das zum Beispiel die Friedensforschung einbezog. Es gab Dies academicus zur Bologna-Reform und Maßnahmen zur Entstressung des Studiums. Und als sich 2011 abzeichnete, dass der neu gewählte SPD-Senat den Hochschulen ein Sparkorsett aufzwingen will, sah man den hochgewachsenen Mann mit seinem Stehkragen-Jackett auf dem Rathausmarkt mit Studierenden demonstrieren.

Schließlich kam es so, wie es Lenzen vorausgesehen hatte. Bei der Exzellenzrunde 2012 gewann die Uni zwei Cluster, eines in Klimaforschung und eines, in dem es um die Beobachtung von Atombewegung geht. Doch das Zukunftskonzept, mit dem die Uni sich am Leitbild der Nachhaltigkeit ausrichten wollte, fiel durch. Lenzen äußerte, das Konzept sei „dem Vernehmen nach für visionär gehalten“ worden. Dass die Gutachter es nicht bedachten, liege am schwachen Stand des Wissenschaftsstandorts Hamburg. Kein anderes Land gebe weniger für Forschung aus.

Wenige Tage vor dieser Entscheidung veröffentlichte Lenzen im Spiegel gar einen Gastbeitrag mit der Überschrift: „Keine Wettbewerbe mehr!“ In den nächsten zehn Jahren dürfe es keine solchen Großwettbewerbe mehr geben, forderte der Uni-Präsident. Denn einige Unis hätten sich im Exzellenzrennen zu Tode gesiegt, andere mit Anträgen über die Maßen verausgabt. Ein Problem sei, dass die Gutachter aus dem Ausland mit dem Blick eines „Havardians“ schauten und die Konzeption „nicht immer verstanden“.

Exzellenz sei „nicht alles“, sagte Lenzen der taz. Der Wettbewerb sage etwas über die Fähigkeit aus, „Beutegemeinschaften“ herzustellen: Gruppen, die sich quer durch die Fächer zusammentun, um ein Objekt zu beforschen. „Das ist nicht zu beanstanden – aber nur ein Ansatz für Wissenschaft“, so Lenzen. Der „einsame Denker“ in den Geisteswissenschaften könne und müsse so eine Gemeinschaft nicht unbedingt bilden für seine Arbeit. „Damit rückt der Exzellenzwettbewerb einen gewissen Teil der Wissenschaft in den Vordergrund und fasst den anderen nicht ins Auge.“

Wenige Monate später entschied die Uni Hamburg, sich nicht mehr an Rankings zu beteiligen. Stattdessen legte sie ein Meta-Ranking vor, dass sie auf Platz 15 von 300 Universitäten verortete.

Im Zusammenspiel mit der grünen Senatorin Katharina Fegebank wirkte Lenzen zuletzt weniger konfrontativ. Die beiden schlossen eine Art Gute-Laune-Bündnis, wie die Zeit schrieb, und begannen, sich für die nächste Runde des Exzellenzwettbewerbs optimistisch zu präsentieren.

Bis jetzt sieht es gut aus. Die Universität Hamburg darf vier Cluster-Anträge stellen, hat also noch Chancen, einen Antrag für die zweite Förderlinie der Exzellenz-Universitäten zu stellen, wenn mindestens zwei dieser Clusteranträge erfolgreich sind.

Und was ist mit seinem Aufruf, „keine Wettbewerbe mehr“zu machen? „Wir waren alle selber überrascht, dass es eine neue Exzellenz-Initiative gibt“, sagt Lenzen. „Da bleibt uns nichts anderes, als mitzumachen.“

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