: Die Kurden geben sich siegessicher
NORDIRAK Regionalpräsident Masud Barzani führt sein Unabhängigkeitsreferendum durch
Aus Kirkuk und Erbil Inga Rogg
Es ist schon fast Mittag und die Straßen von Kirkuk, dieser zwischen Kurden, Arabern und Turkmenen heiß begehrten Stadt mit ihren riesigen Erdölvorkommen, sind noch immer verweist. Die Läden sind geschlossen, von der Polizei so gut wie keine Spur. Für Sicherheit sorgen heute ausschließlich kurdische Kämpfer, auch vor den Wahllokalen. Nur in den kurdischen Vierteln herrscht Andrang.
In der Ipek-Yolu-Mädchenschule haben bis Mittag erst 250 von mehr als 3.300 Wahlberechtigten ihre Stimme bei dem Referendum über die Unabhängigkeit eines kurdischen Teilstaats im Nordirak abgegeben.Die Schule liegt in einem Viertel, in dem mehrheitlich Turkmenen leben. Fakir Kheireddin Burhan ist mit Sohn und Enkelin gekommen. Der Sohn trägt einen Schal mit der kurdischen Trikolore, die Wangen der Enkelin sind in den Farben der Flagge bemalt. Er und sein Sohn hätten selbstverständliche mit Ja gestimmt, sagt Burhan. „Es ist gut, wenn Kurdistan ein eigener Staat wird.“
Eine überraschende Aussage, denn die Familie gehört der Minderheit der Turkmenen an. Aber sie sind mit dieser Haltung ziemlich allein. Alle anderen Wählerinnen und Wähler, mit denen wir sprechen, sind Kurden. Auch der Direktor und die Lehrer, die die Namen mit der Wählerliste abgleichen, die Wahlzettel aushändigen und einsammeln, sind Kurden. Die beiden Wahlbeobachter gehören kurdischen Parteien an, die sich für die Unabhängigkeit stark machen. Wer gegen die Abstimmung ist, wie viele Araber und Turkmenen, bleibt zu Hause.
Selbst in Kirkuk steht das Ergebnis damit fest. Im eigentlichen kurdischen Teilstaat, in den Provinzen Erbil, Dokuk, Suleimaniya und Halabja gab es keinen Zweifel am Ausgang. In Erbil bilden sich im Gegensatz zu Kirkuk teils lange Schlangen vor den Wahllokalen. Überall hängen große Poster, Autos mit Flaggen und riesigen Bildern von Regionalpräsident Masud Barzani kurven durch die Stadt. Aber geschieht in Kirkuk nach dem Referendum? „Kurdistan wird unabhängig und Kirkuk wird ein Teil davon“, sagt die Lehrerin Janar Faki. „Darauf haben wir fünfzig Jahre gewartet“, wirft ihre Tochter ein.
Die Türkei und Iran erhöhten am Montag den Druck auf die Regionalregierung. Iran hat die Grenzen dicht gemacht. Die Türkei drohte, den wichtigsten Übergang zu schließen und mit einem Stopp der Ölimporte. „Wir werden sehen, an wen sie ihr Öl verkaufen. Wir haben den Hahn in der Hand“, sagte Präsident Erdoğan. Selbst einen Truppeneinmarsch schloss er nicht aus. „Wir könnten eines Nachts kommen“, sagte er. Viele Kurden taten das als leere Drohung ab. Barzani versicherte einmal mehr, die irakischen Kurden seien keine Bedrohung für die Türkei.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen