Kommentar Chaos bei der Rheintalbahn: Arroganz der Deutschen

Das Bahndesaster steht für zwei Fehler in der deutschen Wirtschaftspolitik: Erstens wird zu wenig investiert, und wenn, dann in den Bau von Straßen.

Bild von der abgesackten Gleistrasse

Abgesackt: Gleiskörper der Rheintalbahn bei Rastatt Foto: dpa

Deutsche sind schnell empört über ihre Nachbarn: über die Ungarn, die keine Flüchtlinge nehmen. Über die Briten, die aus der EU austreten. Gern wird angenommen, die anderen seien Nationalisten und nur die Deutschen echte Europäer. Leider ist dies eine sehr geschönte Selbstsicht. Auch die Bundesrepublik verhält sich destruktiv.

Bestes Beispiel ist der Güterverkehr auf der Schiene. Die europäischen Wirtschaftsverbände haben jetzt einen offenen Brief an Verkehrsminister Dobrindt geschickt, um sich über das Eisenbahnchaos rund um Rastatt zu beklagen. Die Wut ist berechtigt. Es ist unglaublich, wie arrogant Deutschland seine Verpflichtungen missachtet.

Ein grandioses Projekt wurde 1996 beschlossen: Von Rotterdam bis Genua soll es eine schnelle Gütertrasse geben, damit der Lastverkehr nicht mehr über die Autobahnen rollt. Die Niederländer hatten die nötigen Gleise bereits 2007 verlegt; die Schweizer eröffneten im letzten Jahr den Gotthardtunnel und werden bis 2020 auch den Ceneri-Basistunnel beenden.

Und was passiert in Deutschland? Fast nichts. Die meisten Projekte sind noch gar nicht gestartet; nur in Rastatt wurde verspätet mit einem neuen Tunnel begonnen. Die Folgen sind bekannt: Die Gleise der Rheintalbahn sackten ab, sodass jetzt gar kein Güterzug mehr von den Niederlanden bis in die Schweiz rollen kann. Die Schäden gehen in die Milliarden.

Rastatt ist mehr als eine technische Panne. Das Bahndesaster steht für zwei zentrale Fehler in der deutschen Wirtschaftspolitik: Erstens wird viel zu wenig investiert, weil man die „schwarze Null“ verabsolutiert, und zweitens fließen die spärlichen Mittel nicht in die Bahn, sondern in den Bau von Straßen. Niemanden interessiert, dass man mit den europäischen Nachbarn eine schnelle Gütertrasse vereinbart hat, um die Umwelt zu schützen. So sieht dämlicher Egoismus aus.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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