: Innensenator räumt Fehler ein
ATTENTAT Behörden gingen Hinweisen auf den Attentäter zu spät und nicht gründlich genug nach
Innensenator Andy Grote (SPD) hat Fehler der Sicherheitsbehörden eingeräumt. Am Mittwoch mussten sich Grote, Polizeipräsident Ralf Martin Meyer, der Chef des Hamburger Landeskriminalamts Frank-Martin Heise und der Verfassungsschutz-Chef Torsten Voß vor dem Innenausschuss zum Attentat in Barmbek am 28. Juli verantworten. Obwohl auf Seiten der Sicherheitsbehörden nicht alles korrekt gelaufen sei, spreche wenig dafür, dass man die Tat hätte verhindern können, sagt Grote.
Ahmad A., ein 26-jähriger palästinensischer Geflüchteter, hatte in einem Supermarkt sieben Personen mit einem Küchenmesser teils lebensgefährlich verletzt. Einer starb noch vor Ort. PassantInnen hatten den Täter anschließend auf der Straße überwältigt.
Der Attentäter habe sich erst kurz zuvor zur Tat entschlossen, sagt Polizeipräsident Meyer. Es gebe keine Anhaltspunkte für eine Vernetzung mit islamistischen Terrorstrukturen oder dafür, dass Hintermänner an der Tat beteiligt gewesen seien. A. habe sich selbst radikalisiert, seine Entwicklung zum religiösen Fanatismus sei wellenartig verlaufen. Zwischendurch habe er den Eindruck gemacht, sein Zustand sei stabil.
Der Täter war den Behörden schon lange bekannt. Es hatte früh Hinweise von verschiedenen Seiten gegeben, denen die Polizei nicht gründlich genug nachgegangen war, wie auch Meyer zugab. Im April 2016 hatte das LKA einen Hinweis auf eine mögliche Radikalisierung A.s bekommen. Aber es dauerte bis zum 29. August, bis das LKA den Verfassungsschutz informierte. Dem kam die Personalie A.s unbekannt vor, obwohl er schon Informationen über ihn hatte – allerdings unter anderem Namen. Bis zum 15. September dauerte es, bis der Verfassungsschutz seine Personalien beisammen hatte. Dann nämlich erst fand ein Gespräch mit dem Hinweisgeber statt. Dieser gab auch an, dass A. an einer Ausreise nach Syrien interessiert sein könnte. Trotzdem stufte der Verfassungsschutz ihn nur als „Verdachtsfall Islamist“ ein und schrieb ihn zur Grenzfahndung aus.
Auch eine Mitarbeiterin der Unterkunft, in der A. lebte, hatte sich schon an die Polizei gewandt und darum gebeten, den sozialpsychiatrischen Dienst zu alarmieren und eine Fallkonferenz einzuberufen, also einen Informationsaustausch verschiedener Behörden, da A. „Allahu Akbar“ rufend durch die Unterkunft gezogen sei und an Türen gehämmert hätte. Ein Sachbearbeiter lehnte das ab – mit der Begründung, A.s Verhalten sei noch nicht polizeirelevant genug. KSCH
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