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Und dann sind sie da

Fluchtpunkt BerlinHunderte Flüchtlinge kommen im Sommer 2015 in die Stadt – jeden Tag. Die chaotischen Zustände am Lageso wirken wie die tägliche Antithese zu Merkels „Wir schaffen das“. Wer sind die Neuankömmlinge? Die taz hat das Schicksal zweier Familien zwei Jahre lang begleitet

Von Anna Klöpper

2011, weit weg von Berlin, in ­Syrien. Die Regierung von Präsident Baschar al-Assad lässt im März 15 Kinder festnehmen, die in einer Stadt im Süden des Landes regimekritische Parolen an Wände gemalt hatten. Die Demos gegen das rigide Vorgehen der Staatsmacht wachsen sich zu Massenunruhen im ganzen Land aus. Assad antwortet mit Festnahmen und Erschießungen, aus den Unruhen wird ein Bürgerkrieg. Rebellengruppen bekämpfen sich untereinander, ab 2013 mischt sich auch der „Islamische Staat“ ein.

Menschen fliehen, wenn man mit Bomben nach ihnen schmeißt.

Dezember 2014, die Vereinten Nationen kürzen ihre Hilfsprogramme in den großen Flüchtlingscamps in Jordanien und Libyen. Inzwischen ist die Hälfte der syrischen Bevölkerung auf der Flucht.

Menschen ziehen weiter, wenn man sie verhungern lässt.

Es würde eine Weile dauern, bis ein Teil der Fliehenden auch in Berlin sein würde. Zu Fuß, mit Kindern und Taschen ist man nicht schnell, und dann noch das tödliche Mittelmeer auf dem langen Weg. Ende August 2015 wird der Budapester Hauptbahnhof zur Sackgasse für Tausende Flüchtlinge, die nicht von Libyen aus den langen Weg übers Wasser nach Italien riskieren, sondern über die sogenannte Balkanroute – also über die Türkei und Griechenland – nach Europa kommen. Der ungarische Präsident Viktor Orbán baut einen Zaun an der serbischen Grenze und lässt den Hauptbahnhof Keleti räumen, tagelang fahren keine Züge mehr gen Westen.

Dann genehmigt die Bundeskanzlerin die Weiterreise der Gestrandeten nach Deutschland – die Dublin-Regel, nach der jeder in dem europäischen Land Asyl beantragen muss, das er zuerst betritt, ist damit passé.

Es war auch der Sommer der Ehrenamtlichen

Als Angela Merkel am 31. August 2015 in der Bundespressekonferenz sagt: „Wir schaffen das“, scheint das Berliner ­Lageso die tägliche Antithese dazu zu sein. Die hilflosen Beamten, die für die Erstregistrierung zuständig sind, werden quasi überrannt. Als hätte man die Flüchtlinge auf ihrem langen Weg nicht kommen sehen. Die Behörden schaffen es nicht, sie in der Moabiter Turmstraße mit Schlafplätzen und Wasser zu versorgen. Berliner BürgerInnen helfen, überraschend schnell koordiniert sich die Nothilfe der ersten Tage – es ist auch der Sommer der Ehrenamtlichen in Berlin.

Die Flüchtlinge, da sind sich alle einig im Sommer 2015, werden das Thema sein, das diese Stadt die nächsten Jahren beherrschen wird. „Da wird es unendlich viele Schicksale geben, die wir erzählen müssen“, sagt eine Kollegin in der Redaktionskonferenz. Zugleich verschwinden andere Schicksale in diesem Flüchtlingssommer mehr oder weniger vom Radar der öffentlichen Wahrnehmung – etwa die der Roma vom Balkan, die im Gegensatz zu den syrischen Flüchtlingen praktisch chancenlos sind mit ihren Asylanträgen.

Alle Geschichten kann man nicht erzählen, also erzählt die taz seit dem Sommer 2015 – seit nun zwei Jahren – zwei: Die Geschichte der syrischen Familie Mottaweh aus Damaskus und die der serbischen Romafamilie Jovanovic.

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