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Wegen Terrorvorwurfs 15 Jahre Knast

Türkei Staatsanwaltschaft verkündet gefordertes Strafmaß für deutsche Journalistin Meşale Tolu

Kann nicht auf ein mildes Urteil hoffen: Meşale Tolu Foto: privat

BERLIN taz | Noch ist es nicht offiziell, doch es gibt wenig Gründe, an der Nachricht zu zweifeln. Laut Gülhan Kaya, der Anwältin der deutschen Journalistin und Übersetzerin Meşale Tolu, fordert die Staatsanwaltschaft für ihre Angeklagte eine Strafe von 15 Jahren Gefängnis. Dies sagte die Anwältin gegenüber der linken Agentur ETHA, für die Tolu gearbeitet hatte. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft lautet: Propaganda für eine Terrororganisation und im Falle Tolus außerdem noch Mitgliedschaft in einer Terrororganisation.

Meşale Tolu, die in Deutschland geboren wurde und ausschließlich die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, wurde am 30. April dieses Jahres bei einer größeren Razzia gegen Mitglieder der Sozialistischen Partei der Unterdrückten (ESP) festgenommen. Kurz darauf verfügte ein Richter ihre Untersuchungshaft. Die 33-jährige Tolu pendelte seit einigen Jahren zwischen ihrem deutschen Wohnort Ulm und Istanbul. Sie engagierte sich in Istanbul bei der kleinen linken Nachrichtenagentur ETHA, die mit der ESP assoziiert ist. Sie arbeitete dort als Journalistin und Übersetzerin.

Seit Mitte Mai sitzt sie in dem Istanbuler Frauengefängnis in Bakırköy. Ihr zweieinhalbjähriges Kind wurde nach einer kurzen Zeit der Trennung zu ihr ins Gefängnis gebracht. Das deutsche Konsulat in Istanbul erfuhr erst durch ihren Vater von der Festnahme. Eine konsularische Betreuung von Meşale Tolu wurde auch erst auf größeren Druck durch das deutsche Außenministerium gestattet.

Nach Angaben ihrer Anwältin wirft die Staatsanwältin ihr zur Begründung der Anklage vor, eine Beerdigung und zwei weitere Veranstaltungen der ESP besucht zu haben. Laut ihrem Vater war sie bei diesen Veranstaltungen aber als Journalistin und nicht etwa, um dort eine Terrororganisation zu unterstützen. Der Vorwurf, eine Terrororganisation zu unterstützen, wird in der Türkei seit dem Putschversuch im Juli 2016 und dem verhängten Ausnahmezustand gegen jeden missliebigen Kritiker der Regierung verwendet.

Wegen ebendieser Vorwürfe sitzen auch der deutsche Journalist Deniz Yücel und der Menschenrechtsaktivist Peter Steudtner in der Türkei in Untersuchungshaft. Yücel mittlerweile seit einem halben Jahr und Peter Steudtner seit rund einem Monat. Alle Proteste und Solidaritätskundgebungen aus Deutschland haben bislang nichts daran ändern können.

Selbst nachdem Außenminister Sigmar Gabriel verkündete, mit der „völlig unbegründeten“ Festnahme von Peter Steudtner, der sich im Rahmen eines Seminars von Amnesty International in Istanbul aufhielt, endgültig eine „rote Linie“ überschritten zu haben, änderte sich für die verhafteten Deutschen nichts. Im Gegenteil: Peter Steudtner wurde aus einem normalen Gefängnis in Istanbul in den Hochsicherheitsknast für politische Gefangene in Silivri verlegt. Auch die Strafforderung des Staatsanwaltschaft gegen Meşale Tolu kann kaum als Zeichen des Einlenkens der Türkei interpretiert werden.

Die Bundesregierung hat ­deshalb vor Kurzem angekündigt, sie werde vor dem europäischen Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg wegen der unbegründeten Untersuchungshaft von Deniz Yücel klagen. Am Freitag hat der Springer-Verlag, für den Deniz Yücel als Korrespondent in der Türkei arbeitet, ebenfalls angekündigt, eine Klage in Straßburg einreichen zu wollen.

Seit Mai sitzt Tolu im Istanbuler Frauengefängnis in Bakırköy

Unterdessen hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan am Wochenende bei einem Auftritt in der Provinzstadt Malatya angekündigt, dass die Angeklagten in den Putsch-Prozessen in einheitlichen braunen Overalls auftreten müssen. Anlass ist, dass vor einigen Wochen ein Angeklagter in einem T-Shirt mit dem Aufdruck „Hero“ vor Gericht erschienen war.

Jürgen Gottschlich

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