Bundeswehr in Konya: Reise geplatzt, Experiment geglückt
Der Abgeordnetenbesuch bei den deutschen Soldaten in der Türkei war als Testballon gedacht. Nach der Absage läuft die Debatte über Konsequenzen.
Seit Freitagnachmittag ist das Ergebnis da: Wenige Tage vor dem geplanten Abflug der Abgeordneten hat die Türkei laut Regierungssprecher Steffen Seibert „darum gebeten, den Besuch zu verschieben“ – ihn de facto also unterbunden. In Berlin läuft seitdem eine Debatte über die Konsequenzen.
Die Opposition sowie Teile der SPD wollen die deutschen Soldaten, die in Konya in Awacs-Flugzeugen der Nato sitzen, im Zweifel abziehen. „Ohne Besuchsrecht können die deutschen Soldaten nicht in Konya bleiben“, sagte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann. Der Koalitionspartner bremst aber: Auf keinen Fall solle Deutschland seine Soldaten abziehen, sagte der CSU-Abgeordnete Hans-Peter Uhl am Montagmorgen im Deutschlandfunk. Die Bündnistreue innerhalb der Nato sei wichtiger als die Reise des Verteidigungsausschusses.
Die Bundesregierung selbst setzt vorerst auf einen Mittelweg: In Gesprächen mit der Türkei drängt sie nach eigenen Angaben auf einen neuen Termin. Eine Frist will sie der Regierung in Ankara aber nicht setzen. „Ich halte es nicht für sinnvoll, jetzt hier Zeiterwartungen in den Raum zu stellen oder Zeitfristen zu nennen“, sagte Seibert am Montag.
Helfen soll in den Gesprächen mit der Türkei nach Möglichkeit die Nato. Im Streit über die Abgeordnetenbesuche in Incirlik hatte sich das Militärbündnis noch herausgehalten – die dort stationierten deutschen Tornados waren nicht in seinem Auftrag vor Ort. Anders die Awacs-Flugzeuge, die unter Nato-Kommando fliegen – weshalb der geplatzte Abgeordnetenbesuch nun im Prinzip das Bündnis als Ganzes betrifft.
Zehn deutsche Soldaten
Rund zehn deutsche Soldaten sind derzeit als Teil einer multinationalen Besatzung in den Flugzeugen eingesetzt. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums beobachten sie nicht die Aktivitäten des IS, sondern nur den Luftraum über Syrien und dem Irak. Sie schauen, wer dort fliegt. Offiziell, um Kollisionen westlicher Kampfjets mit anderen Flugzeugen zu verhindern. Sicherlich aber auch, um die Aktivitäten der russischen und syrischen Luftwaffe zu überblicken.
Die Awacs tragen für diese Aufgabe große Radaranlagen auf dem Rücken. Die Flugzeuge fliegen zwar nur über der Türkei und dem Mittelmeer und nicht über den Krisenländern selbst. Schon von dort aus nehmen sie wegen ihrer Flughöhe aber mehr wahr als Radaranlagen auf dem Boden. Bundeswehr, Nato und die US-geführte Militärkoalition für Syrien und dem Irak würden deshalb nur ungern auf die Awacs-Flüge verzichten.
Die deutsche Opposition hätte mit einem Abzug natürlich weniger Probleme. Der Abgeordnete Neu, dessen Konya-Experiment nun aufgegangen ist, fordert das Ende des Einsatzes. Die Linke sei ohnehin gegen die deutsche Beteiligung, schon aus völkerrechtlichen Gründen. „Davon abgesehen müssten jetzt auch die anderen Fraktionen begreifen, dass ein ,Weiter so' nicht möglich ist, wenn Besuche deutscher Abgeordneter nicht möglich sind“, sagt er.
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