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Eigennutz mit Mehrwert

Wohnen Genossenschaften gelten als Garanten für eine sozial ausgewogene Stadt. Doch oft können sie Neubauprojekte ökonomisch nur schwer stemmen. Ausgerechnet München liefert ein gutes Beispiel kommunaler Förderung für bezahlbaren Wohnungsbau

Von Lars Klaaßen

In den großen Städten gehen die Wohnungsmieten durch die Decke. Mehr Neubau ist gefragt, der aber bezahlbar sein soll. Insbesondere Genossenschaften könnten den Spagat zwischen ökonomischen Hürden und sozialem Anspruch meistern. „Die Zahl gemeinschaftlicher Wohnprojekte ist in den vergangenen Jahren gestiegen – sowohl insgesamt als auch in der Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft (eG).“ Zu diesem Ergebnis kommt die Studie „Neues Wohnen – Gemeinschaftliche Wohnformen bei Genossenschaften“ des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR). Die Mehrzahl der untersuchten Wohnprojekte wurde im Neubau realisiert. „In keiner anderen Trägerform verbindet sich die soziale Utopie vom Leben in der Gemeinschaft so eng mit einem konkreten Rechtsmodell“, sagt Constance Cremer, Projektleiterin der Netzwerkagentur GenerationenWohnen und Geschäftsführerin der Stadtentwicklungsgesellschaft Stattbau. „Die rechtliche Übereinstimmung von Eigentümer und Nutzer sowie der Verzicht auf Profit zugunsten des Förderprinzips ebnet den Weg zu langfristig bezahlbarem Wohnraum.“

Eine besonders vielfältige Landschaft von Genossenschaften hat Berlin, „vielleicht sogar die vielfältigste in Europa“, wie die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung kokettiert. Die Spanne reicht von den großen Traditionsgenossenschaften mit bis zu 10.000 Wohnungen über die ehemaligen Arbeiterwohnungsgenossenschaften der DDR bis zu kleinen, völlig neu unter dem genossenschaftlichen Gedanken gegründeten Projekten. Mehr als die Hälfte der Berliner Genossenschaften hat einen Bestand von weniger als 2.500 Wohnungen. Alle zusammen haben einen Anteil von zwölf Prozent an Mietwohnungen in der Hauptstadt. Um die Genossenschaften zu ermuntern, weiter zu bauen, hatte die Senatsverwaltung 2012 einen Neubauwettbewerb ausgerufen. Ende 2014 folgte die zweite Runde. Der Titel lautet: „Generationenwohnen – Wohnen in Gemeinschaft“.

Den ersten Preis, dotiert mit 50.000 Euro, erhielt ein Projekt der Gemeinnützigen Baugenossenschaft Steglitz: elf Wohnhäuser, darin 192 Wohnungen von 36 bis 108 Quadratmetern, sowie Gemeinschaftsflächen und ein Nachbarschaftsgarten. Der durchschnittliche Mietpreis wird mit 8,50 Euro pro Quadratmeter kalkuliert. Das ist für einen Neubau sehr günstig, liegt aber über dem Berliner Mittel. Selbst Genossenschaften tun sich generell schwer, wirklich günstigen Wohnraum zu schaffen: „Mit Neubau sind relativ hohe Baukosten verbunden, die sich in der Höhe der Pflichtanteile bei den Projektgenossenschaften und bei den Nutzungsentgelten in beiden Formen niederschlagen“, so die BBSR-Studie. „Solche Kosten stehen allerdings in Relation zur Qualität der Wohnprojekte“, sagt Barbara von Neumann-Cosel, Geschäftsbesorgerin des Genossenschaftsforums. „Genossenschaften bieten in dieser Hinsicht meist ein überdurchschnittliches Niveau.“

Ein Bauprojekt überhaupt zu stemmen, schaffen ohnehin nicht alle. „Kleine Genossenschaften – mit einem Wohnungsbestand deutlich unter 1.000 Wohnungen – würden gern mehr bauen, mehr Grundstücke der Bodenspekulation entziehen, mehr bezahlbaren Wohnraum schaffen“, sagt Angelika Noß, Verbandsdirektorin des Prüfungsverbands der kleinen und mittelständischen Genossenschaften. „Dem stehen aber deutlich Hindernisse im Weg. So werden städtische Grundstücke in der Regel entweder bevorzugt an stadteigene Wohnungsbaugesellschaften oder zum Höchstgebot an Investoren veräußert.“ Kleinere Nachfrager mit einer schwachen Eigenkapitaldecke hätten das Nachsehen.

Andererseits gibt es Genossenschaften, die ihren Schwerpunkt im operativen Geschäft gerade jetzt neu ausrichten – und zwar auf Immobilien. Zum Beispiel die coop eG, seit 1899 in Norddeutschland verwurzelt und als Konsumgenossenschaft ins Leben gerufen: Ihren über 80.000 Mitgliedern bietet sie mit regionalen und überregionalen Partnern exklusive Einkaufsvorteile und Rabatte unter anderem in den sky- und plaza-Märkten. Durch die Ausgliederung des operativen Handelsgeschäftes in die gemeinsam mit der Rewe Gruppe gehaltenen Supermärkte Nord KG hat die coop eG sich zunächst entschuldet. „Künftig erhalten die Mitglieder zudem Dividende aus unserem neuen operativen Geschäft, das sind Beteiligungen und insbesondere das Immobilienportfolio in der Region“, sagt Vorstand Norman Boje. „Über 40 Immobilien vermieten wir unter anderem an die Supermärkte Nord KG, hinzu kommen neben Gewerbeeinheiten künftig auch Wohnhäuser.“ Dabei tritt coop jedoch nicht als Wohnungsbaugenossenschaft, sondern als klassischer Vermieter auf.

Ein Selbstläufer sind genossenschaftliche Neubauprojekte bislang nicht. Dabei würde es das soziale Gefüge der Städte stabilisieren, wenn gerade auch weniger wohlhabende Menschen sich in Genossenschaften engagieren. „Um solches Engagement zu stärken, sollte die öffentliche Hand mehr tun, denn derzeit bleibt zu vielen Bürgern dieser Weg aufgrund der ökonomischen Hürden versperrt“, sagt Rolf Novy-Huy. Der Geschäftsführer der gemeinnützigen Stiftung Trias für Boden, Ökologie und Wohnen hat einerseits die Vergabe von Grundstücken im Blick, darüber hinaus aber auch die Finanzierung: „Ein Nullzinsdarlehen etwa würde vielen Genossenschaften Neubauprojekte ermöglichen – und der gesellschaftliche Mehrwert wäre ebenfalls garantiert.“

Solche Instrumente gibt es bereits. Ein gutes Beispiel liefert ausgerechnet München, die Stadt mit den republikweit höchsten Wohnungsmieten: Genossenschaften und Baugemeinschaften erhalten bei den Ausschreibungen in den großen städtischen Planungsgebieten eigene Flächenkontingente. Ausschreibungsverfahren werden auf Genossenschaften zugeschnitten. Auch die Genossenschaftseinlage, ein zins- und tilgungsfreies Darlehen von bis zu 750 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche, wurde beschlossen. In den deutschen Ballungsräumen sind Bedarf und Wille, genossenschaftlich zu bauen, aber nach wie vor deutlich größer, als die ökonomische Realität es zulässt.

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