piwik no script img

Bundestag Die SPD und Teile der Union stimmten am Freitag mit der Opposition für die Ehe für alleEhebruch bei der Groko

Aus Berlin Anna Lehmann

Er habe die „lieben Kollegen“ von der SPD selten so gelöst erlebt, frohlockte Linken-Fraktionschef Diet­mar Bartsch. „Das hätten Sie auch vier Jahre lang haben können“, spielte Bartsch auf die rein rechnerische rot-rot-grüne Mehrheit im Bundestag an.

Der Bundestag hatte am frühen Freitagmorgen entschieden, die Institution Ehe auch für Personen gleichen Geschlechts zu öffnen. In der namentlichen Abstimmung sprachen sich 393 der anwesenden 623 Abgeordneten dafür aus, 4 enthielten sich, 226 stimmten dagegen – eine unerwartet deutliche Mehrheit.

Tatsächlich war es die erste Abstimmung dieser Legislaturperiode, bei der sich die SPD mit der Opposition verbündet hatte, was per Koalitionsvertrag ausgeschlossen ist. Dem faktischen Koalitionsbruch hatte Kanzlerin Angela Merkel am Montag in einer Talkrunde Vorschub geleistet, in der sie erklärte, sie wolle die Abstimmung über die Ehe für alle zur Gewissensentscheidung machen. Die SPD hatte die Gunst der Stunde genutzt und ihren seit längerem lagernden Gesetzentwurf präsentiert. Im Rechtsausschuss war sie sich am Mittwoch mit Grünen und Linken einig geworden.

„Dass wir heute darüber entscheiden, ist vielleicht nicht gut für die Koalition, aber gut für die Menschen“, rechtfertigte SPD-Fraktionsvorsitzender Thomas Oppermann zu Beginn der Debatte diesen Schritt. Sein Kollege, Johannes Kahrs, eigentlich bekennender Anhänger der Großen Koalition, griff die Bundeskanzlerin gar mit bitteren Worten an: Sie habe seit 2005 nichts gegen die Diskriminierung von Lesben und Schwulen getan und sich am Montag einfach verstolpert. „Das war erbärmlich, Frau Merkel. Vielen Dank für nichts.“

Dem von Linken und Grünen unterstützten SPD-Antrag hatten sich auch 75 Unionsabgeordnete angeschlossen, darunter die Abgeordnete und Bundesverteidigungsministerin Ur­sula von der Leyen und Peter Altmaier, zugleich Chef des Bundeskanzleramts. Der CDU-Abgeordnete Jan-Marco Luczak hatte seine Fraktionskollegen zuvor ermuntert, sich einen Ruck zu geben und für die Ehe für alle zu stimmen. „Kein Kind wird weniger geboren, nur weil es Schwulen und Lesben auch möglich ist zu heiraten.“ Die Ehe für alle sei ein wichtiges Zeichen für eine moderne, tolerante, wertkonservative Politik.

Eingangs hatte der Vorsitzende der Unionsfraktion, Volker Kauder, erklärt die Ehe für alle gerade wegen seines Gewissens nicht zu unterstützen, respektiere aber beide Seiten. Auch Angela Merkel stimmte dagegen.

Angela Marquardt, Strippenzieherin der SPD-Denkfabrik, die Rot-Rot-Grün für den Bund vorbereitet, findet das Ergebnis auch aus anderen Gründen bemerkenswert: „393 Stimmen für Rot-Rot-Grün. Das wird es wohl so schnell nicht wieder geben.“

Kurz nach dem Bundestagsbeschluss hat Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) ihrer Partnerin öffentlich einen Heiratsantrag gemacht. „Wir haben uns am 22. Oktober 2010 verpartnert“, sagte Hendricks am Freitag vor dem Brandenburger Tor in Berlin. Wenn die sieben Jahre voll seien, wollten sie heiraten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen