Auschwitz-Fall in Neubrandenburg: Richter im NS-Prozess befangen
Drei Neubrandenburger Richter müssen im Verfahren gegen einen SS-Mann gehen. Weil sie voreingenommen gegenüber einem Überlebenden waren.
Das Internationale Auschwitz-Komitee begrüßte die Entscheidung. „Von Anbeginn war das aggressive Desinteresse des Vorsitzenden Richters am Schicksal und den Erinnerungen der Überleben deutlich spürbar“, heißt es in einer Erklärung.
Das Verfahren gegen den heute 96-jährigen Z., der im Sommer 1944 mehrere Monate in Auschwitz andere SS-Männer gesundheitlich betreut haben soll, ruht schon seit Monaten. In seltener Einigkeit hatten Staatsanwaltschaft und die Vertreter der Nebenklage mehrfach eine Ablösung der Richter beantragt, denen Prozessbeobachter vorgeworfen hatten, eine Einstellung des Verfahrens vorzubereiten. Zudem zeigten Nebenkläger-Anwälte die Richter wegen Rechtsbeugung an. Einer Petition für eine Neueröffnung des Verfahrens schlossen sich über 38.000 Unterzeichner an.
Erfolg hatte nun der Nebenkläger Walter Plywasky, der als Kind nach Auschwitz verschleppt worden war und dessen Mutter dort ermordet wurde. Zweimal hatte Richter Kabisch Plywaskys Berechtigung zur Nebenklage mit der gleichen Begründung verneint, zweimal war seine Entscheidung vom Oberlandesgericht Rostock korrigiert worden. Der zweite Versuch, den Überlebenden auszuschließen, wurde nun nach Angaben des Nebenklage-Vertreters Thomas Walther auf Antrag der Nebenkläger und der Staatsanwaltschaft als rechtswidrig bezeichnet.
Prozessbeginn musste vom OLG verfügt werden
Die 60. Schwurgerichtskammer entschied, dass Kabischs Versuche, Plywasky von der Verhandlung auszuschließen, bei dem Nebenkläger „zwangsläufig der Eindruck ergeben“ hätten, das Gericht sei ihm gegenüber nicht unvoreingenommen gewesen, zitiert die Süddeutsche Zeitung aus der Begründung. Die Vertretungsrichter bemängelten ferner die „herabwürdigende Kritik“ der Richter gegenüber Plywaskys Anwalt, dem Kabisch eine „narzisstisch bedingte Dummheit“ unterstellt hatte.
Der Auschwitz-Prozess hatte im März 2016 gegen den Willen des Gerichts begonnen, das die Eröffnung des Hauptverfahrens verneint hatte. Erst eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Rostock zwang die Neubrandenburger Richter zu dem Prozess, in dem fortan in den wenigen Verhandlungstagen die Gebrechen des Angeklagten im Mittelpunkt standen.
Hubert Z. wird zur Last gelegt, durch seine Tätigkeit als SS-Sanitäter dazu beigetragen zu haben, dass die SS-Männer in dem Vernichtungslager handlungsfähig waren. Diese waren auch mit dem Einwurf des Giftgases Zyklon B in die Gaskammern betraut. Weil im fraglichen Zeitraum 14 Züge mit jüdischen Häftlingen in Auschwitz eintrafen, ist Z. wegen Beihilfe zum Mord in mindestens 3.681 Fällen angeklagt.
Ob der Prozess nun endlich in Gang kommt, steht dahin. Ein Gutachten vom Mai attestiert Z. Verhandlungsunfähigkeit. Sollte ein weiteres Gutachten nicht zu einer gegenteiligen Einschätzung kommen, müsste das Verfahren wohl eingestellt werden – 54 Jahre, nachdem die DDR-Staatssicherheit erste Hinweise auf Z. hatte, diesen aber nicht nachgegangen war.
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