Dominic Johnson über Terror von rechts in London: Anschlag auf Anschlag
Großbritannien findet aus den Katastrophen nicht heraus. Drei mutmaßliche Terrorangriffe in einem Monat und dazu ein beispiellos verheerendes Hochhausfeuer, alles in einer Zeit politischer Unwägbarkeiten infolge einer überraschend uneindeutig geendeten Parlamentswahl – diese Realität übertrifft jede Fiktion. Fast im Wochentakt muss Theresa May ihr Rednerpult auf die Downing Street stellen und dort bedeutungsschwangere Worte zur Lage der Nation äußern, die ihr von Mal zu Mal schärfer um die Ohren gehauen werden.
Eine gehässige Stimmung herrscht im Land. Die Premierministerin ist Objekt einer regelrechten Treibjagd geworden, mit sexistischen Untertönen: Sie reagiere nicht emotional genug, was beweise, dass sie das alles kaltlasse. Ihre Politik sei die Ursache allen Übels und daher gehöre sie weggefegt. Das ungefähr ist der Tenor der Kritik, die inzwischen von links außen bis weit ins bürgerliche Lager hinein Sympathien findet. Führende Labour-Oppositionspolitiker verlangen Mays Sturz, während die rechte Boulevardpresse ihren Rücktritt fordert – eine kuriose Koalition.
Da ist es wenig verwunderlich, wenn auch gewaltbereite Extremisten jeder Couleur ungehemmter zur Tat schreiten als sonst und sich dabei ähnlicher werden als je zuvor. Die Mörder von London Bridge und Finsbury Park gehören zu entgegengesetzten Extremen des kulturell-gesellschaftlichen Spektrums – die einen waren islamistische Fanatiker, der andere war nach bisherigen Erkenntnissen ein fanatischer Muslimhasser. Aber sie beide fühlen sich vom jeweils anderen bestätigt, beide blühen auf in einer Spirale der Gewalt, der gegenüber jedes politische Wort hilflos erscheint.
Denn auch die politische Debatte hat ihre Mäßigung verloren. Theresa May und auch Londons Labour-Bürgermeister Sadiq Khan appellieren einmütig, dass der Terror das Leben der Briten nicht verändern dürfe. Doch das politische Klima ist längst ein anderes geworden.
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