Öko, bezahlbar und sicher

Aufgaben Zwölfjahresplan des Thinktanks Agora Energiewende: Ohne ernsthaften Ausbau von grünem Strom und mehr Effizienz scheitern die Klimaziele auch 2030

Energiewende im Verkehr: bisher Fehlanzeige. E-Bikes können helfen Foto: Paul Langrock/Zenit

Aus Berlin Bernhard Pötter

Wenn die deutsche Energiewende erfolgreich sein soll, muss die nächste Bundesregierung nach einer neuen Studie des Thinktanks Agora Energiewende bald wichtige Weichen stellen: mehr erneuerbare Energien und gleichzeitig den Energiebedarf insgesamt reduzieren; Kohlekraftwerke auslaufen lassen, Elektromobilität fördern, das Projekt mit Gesetzen langfristig absichern und überhaupt das Tempo bei der Umgestaltung deutlich erhöhen. „Die nächste Legislaturperiode wird entscheidend für die Erreichung der Klimaziele 2030“, sagte Agora-Chef Patrick Graichen am Dienstag bei der Vorstellung der Studie „Energiewende 2030: The Big Picture“.

In der Agora suchen Experten aus Wirtschaft, Politik, Verbänden und Wissenschaft einen Konsens über die zukünftige Energieversorgung. Zum ersten Mal haben sie nun einen umfassenden Plan vorgelegt, wie diese in zwölf Jahren aussehen soll, wenn sie umweltverträglich, bezahlbar und sicher bleiben soll: So sollen die CO2-Emissionen im Vergleich zu 1990 um 60 Prozent sinken, die Energiekosten für Private und für Unternehmen sollen nicht höher sein als 10 Prozent der Gesamtausgaben und Stromausfälle nicht länger als 20 Minuten im Jahr betragen.

Bisher hat Deutschland laut Agora nur eine Stromwende angeschoben – was fehlt, ist ein echtes Umsteuern bei Wärme, Verkehr und insgesamt dem Verbrauch von Energie. Um die Klimaziele von 2050 zu erreichen – nämlich praktisch null Treibhausgase –, müssen drastische Schritte her: Der Öko-Anteil an der Energie müsse sich in den nächsten 12 Jahren verdoppeln: Auf 60 Prozent Grün beim Strom und auf 30 Prozent beim allgemeinen Energieverbrauch. Die Verbrennung von Kohle und Öl müsse sich halbieren, Gas um 20 Prozent zurückgehen. Unter dem Motto „Energiesparen zuerst“ soll bei jeder Investition in Strom, Heizung und Verkehr erst überlegt werden, ob nicht mehr Effizienz besser sei. „Sonst sind diese Ziele nicht zu erreichen“, so Graichen.

Für die Politik sehen die Experten große Herausforderungen. Nötig sei endlich ein Energiewenderahmen-Gesetz, das Investoren langfristig Sicherheit gebe. Die Regierung müsse den Ausbau von Stromtrassen voranbringen, mehr in die Forschung für die nächste Generation von Treibstoffen investieren, die Energiewende in Europa vernetzen und „endlich CO2 angemessen bepreisen“. Eine Steuerreform solle weniger den immer grüneren Strom belasten, sondern mehr Abgaben auf klimaschädliches Öl, Diesel und Benzin erheben.

Ob bei Strom, Heizung oder Verkehr: Energiesparen zuerst, lautet das Motto

Für einen Sofortausstieg aus den fossilen Brennstoffen, den manche Umweltverbände fordern, plädiert die Studie nicht: „2030 werden wir noch voll im Wandel stecken“, heißt es. Strom komme zwar immer weniger, aber immer noch aus fossilen Kraftwerken, auf den Straßen rollten Autos mit Verbrennungsmotor – aber immerhin auch 10 bis 12 Millionen Elektroautos.

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