Nabu Ostfriesland gegen Windräder: Anwalt des Mäusebussards

Der Naturschutzbund Ostfriesland fordert ein Ausbau-Moratorium. Für die Energiewende dürften nicht so viele Vögel sterben, finden die Naturschützer

Vogelschützern ein Dorn im Auge: Windräder wie hier im Ortsteil Georgfeld von Aurich Foto: Ingo Wagner/dpa

Wenn es um die Kornweihe geht, verstehen Ostfriesen keinen Spaß. Für Wiesenweihe, Rotmilan, Seeadler oder den Mäusebussard gilt dasselbe. Die Greifvogel-Arten seien besonders bedroht, berichtet Jan Schürings, Regionalgeschäftsführer des Naturschutzbundes Ostfriesland (Nabu) – und zwar von Windenergieanlagen.

Fest steht: Vögel werden regelmäßig von Rotorblättern zerfetzt. Eine Artenschutz-Studie für die norddeutschen Bundesländer, auf die sich der Nabu beruft, hat ergeben, dass pro Jahr und pro Anlage ein halber Mäusebussard getötet wird. Die Studie bezieht sich auf das letzte Jahr und kommt zu folgendem Ergebnis: 23.000 Windkraftanlagen in den norddeutschen Bundesländern bedeuten 12.500 tote Mäusebussarde – was für die Gesamtpopulation einen Verlust von jährlich fünf Prozent ergibt.

Neben dem Mäusebussard waren laut Studie 56 weitere Vogelarten betroffen. Valide Zahlen konnten mangels Datenmasse aber nur zum Mäusebussard erstellt werden. Für den Nabu Ostfriesland Grund genug, ein Positionspapier mit der Forderung nach einem Moratorium für den geplanten Ausbau der Windkraft zu stellen.

Was die davon betroffenen Landkreise Aurich, Wittmund, Leer und die Stadt Emden angeht, findet Schürings: „Wir sollten den Ausbau erstmal stoppen, denn im Moment werden nur Windräder gebaut, aber nicht genutzt.“ Wie an anderen windigen Orten fehlen auch in Ostfriesland Speicherkapazitäten oder Stromtrassen, um den überschüssigen Strom nutzen zu können. Etwa drei- bis viermal so viel wie er brauche, produziere der besonders windräderreiche Landkreis Aurich, schätzt der Nabu.

Das Problem: Während der Ausbau vor Ort durch die Kommunen gesteuert wird, müssen Stromtrassen durch die Länder und den Bund koordiniert werden. Und zur Stromspeicherung gibt es zwar viele Ideen – für eine flächendeckende Nutzung sind sie aber nicht ausgereift. Die in Aurich, Wittmund, Leer und Emden im Dezember vergangenen Jahres stehenden 1.075 Windenergieanlagen reichten also, findet der Nabu.

Ostfriesland stellt über ein Sechstel der insgesamt 5.857 niedersächsischen Windräder. Geht es nach dem Nabu, ist die Grenze damit erreicht. Er fordert auch, dass künftig mehr Transparenz bei der Entscheidungsfindung herrschen solle. „Wir wünschen uns, dass die Kommunen freiwillig die Öffentlichkeit daran beteiligen, damit man nicht vor vollendete Tatsachen gestellt wird“, sagt Schürings.

Nachholbedarf sieht der Diplom-Biologe bei der Umweltverträglichkeitsprüfung. Bislang sei diese nur Pflicht, wenn drei oder mehr Anlagen zusammen gebaut würden. Maßgebend für die Freigabe zum Bau eines Windrads sind ansonsten die bundes- und landesrechtlichen Regelungen des Natur- und Artenschutzes.

Als Empfehlung dient zudem das „Helgoländer Papier“ der staatlichen Vogelschutzwarte Helgoland. Darin ist ein Abstand von 1.200 Metern zwischen Windkraftanlage und Vogelschutzgebiet vorgesehen. Wobei, und das missfällt Schürings, oftmals Ausnahmen gemacht würden. Rechtlich liest sich das dann so: „Ausnahmen dürfen erteilt werden, wenn ,zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art' vorliegen.“ Eine Regelung, die den Spielraum für Vogelschützer nicht eben stärkt. Und beim Nabu verstehen sie sich nun mal als Anwalt aller Korn- und Wiesenweiher, Rotmilane und Seeadler. Andererseits: Die Energiewende befürwortet der Nabu natürlich genauso. Was also tun?

Diese Frage stellt der Landkreis Aurich, wo 606 Windkraftanlagen stehen. Dessen Pressestelle teilt mit: „Wer, wie der Nabu, einen Stopp des Windkraftausbaus fordert, muss auch sagen, wie die Energiewende dann gelingen soll.“ Das Ziel, bis zum Jahr 2025 40 bis 45 Prozent und bis 2050 mindestens 80 Prozent der Energie aus regenerativen Quellen zu erzeugen, werde ohne einen Ausbau der Windenergie nicht zu erreichen sein. Hierbei komme küstennahen Standorten wie Aurich „naturgemäß eine besondere Bedeutung zu.“ Die Auricher haben im letzten Jahr den Bau von 101 Windkraftanlagen genehmigt, 2017 allerdings keine, 20 Verfahren stehen noch aus.

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