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Treffen hinter verschlossenen Türen

Türkei/EU In Brüssel drängt Präsident Erdoğan auf weitere Schritte bei den EU-Beitrittsverhandlungen

Erdoğan-Fans jubeln vor seinem Hotel in Brüssel s Foto: Eric Vidal/reuter

BERLIN taz | Ein kurzer Händedruck, ein wortloses Standbild für die Fotografen und dann verschwanden der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan, EU-Ratspräsident Donald Tusk und der Chef der EU-Kommission Jean Claude Junker zu einem Gespräch hinter verschlossenen Türen. Es gab auch nach dem Treffen kein öffentliches Statement, doch eine Mitarbeiterin von Junker teilte über Twitter mit, es sei um den Abbau von Spannungen gegangen. „Die EU muss und wird mit der Türkei zusammenarbeiten.“

Nach den EU-Spitzen wollte Erdoğan noch Bundeskanzlerin Merkel treffen, um noch vor Beginn des offiziellen Nato-Gipfels über die Stationierung der Bundeswehr auf dem türkischen Luftwaffenstützpunkt Incirlik zu sprechen. Nato-Generalsekretär Stoltenberg hatte im Vorfeld des Gipfels klar gemacht, dass die Nato sich nicht einmischen will, aber die Einsätze der ebenfalls auf einem türkischen Luftwaffenstützpunkt stationierten AWACS-Flieger noch aufstocken will.

Vor dem Treffen mit den EU-Spitzenleuten hatte Erdoğan noch einmal mit starken Worten die türkische Öffentlichkeit auf das Treffen eingeschworen. „Die EU kann uns nicht länger wie Bettler vor der Tür stehen lassen“, sagte er in einem Interview einen Tag vor der Brüssel-Reise zu EU und Nato-Gipfel. „Wir wollen nicht vom Tisch aufstehen und die Verhandlungen beenden, aber die EU muss nun endlich sagen, welche Vision sie für einen EU Beitritt hat.“

Erdoğan und die türkische Regierung erwarten, dass nach längerem Stillstand jetzt zwei neue Kapitel aus dem Katalog von 33 Kapiteln eröffnet werden, die im Rahmen der Beitrittsverhandlungen abgearbeitet werden müssen. Konkret geht es ausgerechnet um die Kapitel 23 und 24 die sich mit der Justiz und den Freiheitsrechten der türkischen Bevölkerung befassen. Bislang wird die Eröffnung dieser Kapitel von Zypern blockiert, dessen griechischer Teil seit 2004 EU Mitglied ist.

Auch Frankreich hatte in den letzten zehn Jahren immer wieder Vorbehalte gegen die Eröffnung neuer Kapitel angemeldet. Erdoğan traf sich deshalb noch vor dem Gespräch mit Junker und Tusk mit dem neuen französischen Präsidenten Emanuel Macron. Das Treffen habe in einer freundlichen Atmosphäre stattgefunden, hieß es danach. Es sei im Wesentlichen um wirtschaftliche und militärische Zusammenarbeit gegangen. Macron soll sich jedenfalls nicht gegen weitere Beitrittsgespräche ausgesprochen haben.

„Die EU kann uns nicht wie einen Bettler stehen lassen“

RecEp Tayyip Erdoğan

Kompliziert bleibt es bei der türkischen Forderung nach Aufhebung der Visapflicht für türkische Bürger bei der Einreise in die EU. Außer technischen Problemen wie der flächendeckenden Einführung biometrischer Pässe hakt es vor allem bei der Antiterrorgesetzgebung. Die EU verlangt eine präzisere juristische Definition von Terror, damit nicht wie jetzt beliebig Kritiker der Regierung als „Terroristen“ angeklagt und verurteilt werden können. Dadurch würden immer mehr türkische Bürger zur Flucht aus der Türkei gedrängt und würde bei Aufhebung der Visapflicht zu einem starken Anstieg türkischer Asylanträge führen, fürchtet man in der Bundesregierung.

Zur Klärung all dieser Fragen drängt Erdoğan seit Längerem auf ein EU-Gipfeltreffen zur Türkei, bei dem die Staats- und Regierungschefs auf höchster Ebene über das zukünftige Verhältnis der Union zur Türkei entscheiden. Eine solches Treffen soll aber frühestens nach den Bundestagswahlen im September anvisiert werden.

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