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Rettet den Rümmler!

Denkmalschutz In keiner Stadt kann man den stilistischen Epochenwandel so gut an den U-Bahnhöfen ablesen wie an denen von Rainer Rümmler in Berlin. Verena Pfeiffer-Kloss spricht von einem weltweit einmaligen Schatz

Interview Giuseppe Pitronaci

taz: Frau Pfeiffer-Kloss, viele U-Bahnhöfe aus den Achtzigern stehen jetzt unter Denkmalschutz. Freut Sie das?

Verena Pfeiffer-Kloss: Ja, sehr. Ich habe mit der Initiative „Kerberos“ öffentlich auf den Wert der U-Bahnhöfe aufmerksam gemacht, das hat offenbar einiges ausgelöst. In keiner Stadt kann man den Epochenwandel so gut an den U-Bahnhöfen ablesen wie in Berlin. Nirgendwo gibt es so eine Serie von ­Bahnhöfen der sechziger bis acht­ziger Jahre, mit einer so hohen baulichen und gestalterischen Qualität. Weltweit nicht. Das ist ein Schatz. Leider gefährdet.

Sie meinen Bahnhöfe wie zum Beispiel am Bayerischen Platz, an dem die oberirdischen Bauten schon ersetzt wurden?

Oder auch den Bahnhof Eisenacher Straße. Die grünen Flächen dort erinnern an den Thüringer Wald, die gewölbte Decke ist gelb wie die Sonne, der Raum erzeugt Tiefe wie bei der Farbfeldmalerei der sechziger Jahre. Architekt Rainer Rümmler hat jeden Bahnhof als individuellen Erlebnisraum konzipiert, die Fahrgäste sollten im Vorbeifahren jeden Bahnhof sofort wiedererkennen.

Haben Sie einen Lieblingsbahnhof?

Konstanzer Straße. Er ist ein sogenannter „Durchhuscher“, ohne Umsteigemöglichkeit, das hat Rümmler visualisiert. Da sind zum Beispiel die gelben und roten Horizontallinien an den Gleis-Hinterwänden, die Geschwindigkeit vermitteln, als ob man zur nächsten Station gezogen wird.

Ist dieser Bahnhof auch gefährdet?

Ich halte alle Bahnhöfe der 70er Jahre für gefährdet. Die BVG hat in den vergangenen Jahren mehrere Bahnhöfe aus der Epoche radikal umgestaltet. Zum Beispiel Rudow, Rathaus Steglitz, Walther-Schreiber-Platz. Konstanzer Straße hingegen ist noch fast komplett erhalten.

Ein paar Details, bitte!

Passend zu Hintergleiswand und Decke gibt es sogar noch den Boden und vor allem die Säulen mit den sanft gerundeten Ecken, der matten Silbrigkeit, die den Farbraum reflektiert, ohne ihn zu spiegeln. Die Säulenseite hat eine schwarze senkrechte Fuge, die zum schwarzen Sockel führt. Der vermittelt zum schwarzen Boden aus Gussasphalt, der wiederum einen Kontrast zur leuchtenden Farbigkeit bildet. Ein Gesamtkunstwerk aus den 70er Jahren. Erstklassig. Denkmalwürdig. Und das hat eben nichts damit zu tun, ob man den Bahnhof schön oder hässlich findet.

Ob die BVG das auch so sieht?

Ich weiß es nicht. Die BVG hat einen einzigartigen Bestand an Bahnhöfen des 20. Jahrhunderts. Aber sie vermittelt das nicht den Kunden. Stattdessen hat sie schon allerhand zerstört, ohne das vorher öffentlich zu diskutieren. Ich finde, die Nutzer der U-Bahn sollten auch gefragt werden. Die Berliner sind so interessiert an ihrer Stadt. Sie wollen etwas wissen über Orte, die sie täglich nutzen, über deren Geschichte. Diese Orte sollte man entdecken. Es geht ums Sehenlernen.

Die orangefarbenen Kacheln im U-Bahnhof Yorckstraße sind ab. Tut es Ihnen weh, das zu sehen?

Ja, und ich hatte nicht damit gerechnet. Vor drei Jahren begann ich, mich mit den U-Bahnhöfen von Rainer Rümmler zu beschäftigen. Bahnhöfe wie Rathaus Steglitz und Yorckstraße waren hervorragend erhalten. Da begann die BVG plötzlich, Kacheln und Platten abzureißen.

Die BVG sagt, dass die Bahnhöfe marode sind.

Schauen Sie sich die nun grauen Wände im Bahnhof Yorckstraße an. Man sieht an den Streifen im Beton, wie fest die Kacheln befestigt waren. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie so marode waren. Sanierungen sind notwendig, aber es geht auch behutsam.

Ein weiteres Argument der BVG: neue Bauverordnungen, Barrierefreiheit.

Der neue Aufzug im Bahnhof Yorckstraße ist eingebaut, ohne dass er die Wände berührt. Die Kacheln mussten nicht wirklich weg.

Und noch ein BVG-Argument: Die Bahnhöfe sollen heller, übersichtlicher, sicherer werden. Die Kunden begrüßen das, heißt es.

Dieses Thema gibt es, seitdem es U-Bahnhöfe gibt. Ich glaube aber, früher haben sich die Nutzer sicherer gefühlt, weil es in jedem Bahnhof Personal gab, unabhängig vom Licht. Es ist auch paradox: Wenn die BVG hellere Bahnhöfe will, warum hat sie im U-Bahnhof Rudow das leuchtende Orange durch Grau ersetzt?

Rümmler, Pfeiffer-Kloss

Rainer Rümmler (1929–2004) hat von 1966 bis 1996 fast alle U-Bahnhöfe Westberlins gestaltet. Rümmler war Angestellter im Westberliner Bausenat. Vor einigen Jahren hat die BVG begonnen, einen Teil der Bahnhöfe zu sanieren und umzugestalten. Bauhistoriker, Architekten und Denkmalpfleger protestierten, es gab einen offenen Brief an die BVG, und es entstand die Initiative „Kerberos“, die sich für den Erhalt einsetzt. Inzwischen hat das Denkmalamt Rümmlers U7-Bahnhöfe zwischen Siemensdamm und Rathaus Spandau und am Fehrbelliner Platz unter Denkmalschutz gestellt sowie den Bahnhof Schlossstraße vom Architekturduo Schüler-Witte, inklusive Bierpinsel.

Verena Pfeiffer-Kloss ist Stadtplanerin und forscht vor allem über Rainer Rümmler. Sie hat die Initiative „Kerberos“ mitgegründet. Web: www.urbanophil.net/kerberos-berlin. (giu)

Vielleicht fanden die BVG-Verantwortlichen das Orange in Rudow oder Yorckstraße nicht mehr zeitgemäß, zu grell. Auch bei den Nutzern gehen die Meinungen auseinander: Die einen finden Orange toll, die anderen hässlich.

Was schön oder hässlich ist, ist subjektiv. Aber es geht bei Bauten mit Denkmalwert zum Beispiel darum, dass sie etwas aussagen über die Zeit, in denen sie entstanden. Versetzen Sie sich ins Jahr 1971, als Rümmler den Bahnhof Yorckstraße baute: Es gab noch mehr Yorckbrücken, die Autos waren viel lauter und dreckiger, über den Brücken fuhren noch Dampflokomotiven, auch die der DDR, alles war grauer. Da kam man zum U-Bahn-Eingang, wo einen ein leuchtendes Gelb der Rolltreppen empfing und auf dem Bahnhof ein strahlendes, zeitgenössisches Orange erwartete. Der Kontrast konnte kaum größer sein. Das war ein Statement. Avantgarde. Der Look ist gerade heute wieder angesagt, retro. An Orten wie dem U-Bahnhof Konstanzer Straße finden Fotoshootings statt.

Später wurde Rümmler verspielter und üppiger. Bahnhöfe wie Paulsternstraße rufen bis heute Enthusiasmus oder Abscheu hervor.

Damals in den 80ern entdeckten Forschung und Denkmalpflege gerade die sachliche Architektur der 20er Jahre. Für die Leute waren die üppigen Bahnhöfe wie Paulsternstraße eine Provokation. Deshalb ist der zeitliche Abstand wichtig, wenn man beurteilt, ob ein Bau oder Bahnhof Denkmalwert hat.

In vielen Details hat man die Bahnhöfe der 70er und 80er Jahre schon verfälscht. Die poppigen Schalensitze mit den Bonbonfarben sind ausgetauscht durch Drahtgittersitze. Rotbrauner Granit ersetzt schwarze Böden. Hat die BVG keinen Sinn für so was?

Dort arbeiten Ingenieure, aber weniger Architekten, schon gar keine Architekturhistoriker oder Denkmalexperten. Vor einiger Zeit sollte ein Gestaltungsbeirat eingerichtet werden, der mit der BVG zusammen solche Fragen erörtert. Bislang gibt es ihn wohl nicht.

Haben Sie noch einen Rümmler-Geheimtipp?

Gehen Sie mal in die Kantine vom Finanzamt Reinickendorf essen. Ein komplett erhaltener 70er-Jahre-Rümmler.

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