: Die Luftwaffe kann schon mal packen
Türkei Die Bundesregierung plant den Abzug der Bundeswehr vom Nato-Stützpunkt in Incirlik
Ob es für die Bundeswehr auf dem türkischen Luftwaffenstützpunkt noch eine Zukunft gibt, ist damit fraglicher als je zuvor.
Rund 200 Bundeswehrsoldaten sind seit Anfang 2016 in Incirlik stationiert. Mit sechs Aufklärungstornados und einem Tankflugzeug unterstützen sie den Anti-IS-Einsatz einer internationalen Militärkoalition in Syrien und dem Irak. Im März hatte der Verteidigungsausschuss vereinbart, sich mal wieder vor Ort über die Arbeit der Soldaten zu informieren – bei solchen Einsätzen eigentlich Routine. Nur nicht im Falle der Türkei, die sich nun schon zum wiederholten Male querstellte.
Zunächst ignorierte die türkische Regierung den obligatorischen Antrag auf eine Reisegenehmigung wochenlang. Das Auswärtige Amt drängte nach eigenen Angaben immer wieder auf eine Antwort, zuletzt am Donnerstag, als Außenminister Sigmar Gabriel am Rande einer Konferenz in London mit dem türkischen Ministerpräsidenten Binali Yildirim sprach. Aber all das half nichts. Am Samstag kam die Absage.
Einer der Gründe: Die jüngsten Entscheidungen deutscher Behörden, türkischen Soldaten Asyl zu gewähren, die nach dem Putschversuch aus der Armee entlassen worden waren. So berichtete es die Bundesregierung zumindest am Montag dem Verteidigungsausschuss.
Für die Abgeordneten ist das ein Déjà-vu-Erlebnis. Schon im vergangenen Jahr gab es eine ähnliche Posse: Im Frühsommer wollte damals eine Ausschussdelegation in die Türkei fliegen, als Reaktion auf die umstrittene Bundestagsresolution zum türkischen Genozid an den Armeniern verweigerte Ankara aber die Genehmigung. Erst Monate später durften die Parlamentarier doch noch nach Incirlik reisen. Sieben weitere Abgeordnete, die den Luftwaffenstützpunkt alleine besuchen wollten, erhielten auf ihre Anträge bis heute keine Antwort.
Schon Ende 2016 gab der Bundestag deshalb der Regierung den Auftrag, sich nach alternativen Stützpunkten umzusehen. Das Verteidigungsministerium schickte daraufhin tatsächlich Erkundungstrupps los, bereitete den Umzug aber noch nicht konkret vor. Aus rein militärischer Sicht sind die Bedingungen in Incirlik, einer Nato-Basis mit entsprechender Infrastruktur, einfach zu gut.
Unter dem Druck von Abgeordneten aus SPD, Grünen und Linkspartei, die am Montag alle auf einen Abzug aus der Türkei drängten, scheint die Regierung nun umzuschwenken. Den Obleuten des Ausschusses kündigte sie an, in die konkrete Planung über eine Verlegung einzusteigen. Sollte die Türkei an ihrer Linie festhalten, soll der Abzug in den kommenden Wochen beschlossen werden.
„Wenn es bei dieser Haltung bleibt, dann sind wir in einer Situation, in der wir uns Gedanken darüber machen müssen, andere Lösungen zu finden“, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes am Mittag. Laut Verteidigungsministerium wird die Bundeswehr jetzt „verstärkt weiter eruieren“, welche Alternativen sich anbieten – mit Schwerpunkt auf Stützpunkte in Jordanien. Eine Verlegung sei aber nicht von heute auf morgen zu machen. Bis die Bundeswehr tatsächlich aus der Türkei abzieht, wird es wohl noch Monate dauern. Tobias Schulze
Meinung + Diskussion
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen