: Linke will Roma-Staatsvertrag
Diskriminierung Die Linke hatte den Senat aufgefordert, sich mit der Diskriminierung der Sinti und Roma zu befassen. Ziel müsse ein Staatsvertrag mit der Minderheit sein
von Milena Pieper
Die Linksfraktion verlangt vom Senat eine stärkere Aufarbeitung behördlicher Diskriminierung von Sinti und Roma. Auch auf einen Staatsvertrag mit den Verbänden der Sinti und Roma solle hingearbeitet werden. Das ist das Resümé der Linken nach einer Großen Anfrage, in der es um die Aufarbeitung der Diskriminierung von Sinti und Roma nach 1945 ging.
Der Senat stellte in seiner Antwort klar: Er teilt die Auffassung der Linken nicht, dass eine historische Aufarbeitung staatlicher Diskriminierung von Sinti und Roma nicht stattgefunden habe. Vielmehr sei der Gedenkort „Hannoverscher Bahnhof“ die Fortsetzung dieser Aufarbeitung. Der Gedenkort wurde am 10. Mai eingeweiht. Am 16. Mai jährt sich der Auftakt der Deportationen Tausender Sinti und Roma von Hamburg aus.
Die Linken-Abgeordnete Christiane Schneider sagte der taz, Ziel der Anfrage sei es auch gewesen, dass „politisch ein neues Kapitel“ beginnen solle. Sie verwies auf Staatsverträge und Vereinbarungen in anderen Bundesländern. In Schleswig-Holstein etwa erwähnt die Verfassung deutsche Sinti und Roma explizit als schützenswerte Minderheiten. Durch entsprechende Verträge könnte die Minderheit auch in Hamburg geschützt und Forschungs- und Beratungsstellen besser gefördert werden.
Der Senat erklärte dazu auf Anfrage der taz, Hamburg nehme seine verfassungsmäßigen Pflichten sehr ernst. „Sinti sind eine der nationalen ethnischen Minderheiten, die unter einem besonderen Schutz des Staates stehen.“ Außerdem folge Hamburg der EU-Romastrategie 2020. „Es existieren zahlreiche Projekte ausdrücklich für und mit Sinti und Roma, die auch in Zukunft fortgesetzt werden sollen. Eine formale Vereinbarung ist dafür nicht erforderlich.“ In der Antwort auf die Große Anfrage hatte der Senat unter anderem auf ein Siedlungsprojekt in Georgswerder und zwei Beratungsstellen verwiesen.
Inge Weiß und Cornelia Kerth von der Beratungsstelle für Sinti und Roma in Wilhelmsburg sehen die neue Gedenkstätte, die an die mehr als 8.000 von dem ehemaligen Bahnhof deportierten Juden, Sinti und Roma erinnern soll, als ersten großen Schritt in Richtung Anerkennung. „Sinti und Roma sind dadurch mitten in die Stadt geholt worden“, sagt Kerth. Wichtig sei, dass die Arbeit der Vereine dauerhaft finanziert werde.
Kerth begleitete vor einiger Zeit einen Mann zum Finanzamt. „Das wird wohl nix“, habe man ihm dort mit Blick auf einen Antrag wegen eines Reisegewerbes gesagt. Er – oder einer seiner Verwandten – sei schließlich schon mal dort gewesen. Der Mann hieß „Weiß“, genau wie Hamburgs größte Sinti-Familie. Erst als Kerth sich einmischte, habe er sein Steuerheft erhalten. Dieses sei für sie ein Beispiel für den diskriminierenden Umgang mit Sinti und Roma, die häufig abwertend mit „ihr“ angesprochen würden, so Kerth.
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