Stabile Mieten: Schöner wohnen mit der Linken
Senat und Wohnungsbausgesellschaften einigen sich auf sozialere Vorgaben: So dürfen etwa die Mieten jährlich nur um zwei Prozent steigen. Nicht alle sind zufrieden.
Selig sind die Mieter von landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften, denn sie werden besser geschützt sein. Auch wenn Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linkspartei) am Mittwoch keine Bergpredigt hielt, hatte sie doch Erfreuliches zu verkündigen: Der Senat und die sechs Wohnungsbaugesellschaften haben sich auf eine Kooperationsvereinbarung verständigt, die die Unternehmen deutlich stärker sozial ausrichtet. Menschen mit wenig Geld sollen leichter an freie Wohnungen bei Gesobau, Howoge und Co kommen. Und wer schon bei den Landeseigenen lebt, soll künftig vor größeren Mieterhöhungen sicher sein.
Den Wohnungsbaugesellschaften gehören rund 300.000 der insgesamt 1,9 Millionen Wohnungen in Berlin, also etwa jede Sechste. Da es für den freien Markt nur wenige politische Instrumente gegen Mietsteigerungen gibt, will Rot-Rot-Grün über die Wohnungsbaugesellschaften Einfluss nehmen. „Wir sind einen großen Schritt weitergekommen und setzen wichtige Teile des Koalitionsvertrags um“, freute sich Lompscher.
So soll die Miete bei den landeseigenen Gesellschaften jährlich um maximal zwei Prozent steigen können. Zum Vergleich: Im Mietenbündnis von 2012, das der jetzigen Vereinbarung vorausging, wurden die Mieterhöhungen auf 15 Prozent in vier Jahren begrenzt, der Spielraum war deutlich größer. Die jetzige Zwei-Prozent-Regelung gilt rückwirkend ab dem 1. Januar 2017.
Menschen mit geringem Einkommen sollen zudem leichter an eine Bleibe bei den kommunalen Vermietern kommen. Lompscher zufolge werden bei den Gesellschaften jährlich rund 15.000 Wohnungen frei. Bisher galt, dass 55 Prozent davon an Menschen mit Wohnberechtigungsschein gehen, in Zukunft sind es 60 Prozent. Bisher sollten in jede zehnte der Wohnungen Bedürftige wie Flüchtlinge oder Obdachlose einziehen, jetzt in jede Sechste. Nur in sozialen Brennpunkten dürfen die Gesellschaften von diesen Quoten abweichen.
Noch eine Neuerung im Sinne der Ärmeren gibt es: Wer schon bei den landeseigenen Gesellschaften wohnt, kann eine Absenkung seiner Miete beantragen, wenn sie mehr als 30 Prozent des Nettohaushaltseinkommens auffrisst. In der Vergangenheit war es nur möglich, auf diesem Weg Mietsteigerungen abzuwenden.
Ob sich die Wohnungsbaugesellschaften auch an die Vereinbarung halten, soll die kürzlich geschaffene Wohnraumversorgungs-Anstalt kontrollieren. Dort sitzt mit Jan Kuhnert ein ehemaliger Aktivist des Mietenvolksentscheids im Vorstand.
„Das ist das weitestgehende Maßnahmenpaket am deutschen Wohnungsmarkt“, sagte Gesobau-Chef Jörg Franzen. Er hoffe, dass davon ein Signal ausgehe für andere Städte. Franzen betonte aber auch, dass die Vereinbarung für die Unternehmen weniger Einnahmen bedeuten. „Wir müssen die wirtschaftliche Balance sicherstellen.“
Jörg Franzen, Gesobau
Laut Lompscher betragen die Mindereinnahmen bei den Gesellschaften ingesamt 17 Millionen Euro jährlich. Bei einem Plus von 300 Millionen Euro im Jahr 2016 sei das zu stemmen. Die Gesellschaften könnten städtische Grundstücke übertragen bekommen, 100 Millionen Euro zur Erhöhung des Eigenkapitals stünden zudem zur Verfügung. Lompschers Fazit: „Aus meiner Sicht sind die Mindereinnahmen tragbar.“
Das Geld werden die Gesellschaften brauchen: 30.000 Wohnungen sollen sie laut Vereinbarung bis 2021 bauen und 10.000 dazukaufen. Bei Neubauvorhaben wolle man die Anwohner stärker einbeziehen. Die Spielregeln dafür werden in den nächsten Monaten entwickelt, sagte Stefanie Frensch, Geschäftsführerin der Howoge.
Für manche MieterInnen kommt die Kooperationsvereinbarung zu spät. Wohnungsbaugesellschaften hatten die letzten Monate 2016 genutzt, um noch schnell vor einer Vereinbarung mit dem Senat teurere Mieten durchzubekommen. Lompscher zufolge wurden in dieser Zeit 26.267 Bescheide verschickt. Diese Mieterhöhungen sollen gekappt werden, eine Erhöhung darf nicht mehr als acht Prozent oder 30 Euro betragen und kann – auf Antrag der Mieter – rückwirkend korrigiert werden.
„Wir sind unzufrieden“, sagte Rosa Risch von der Mieterinitiative Mariannenkiez, wo die Degewo noch mal ordentlich zugelangt hatte. Die acht Prozent Mieterhöhung verstießen gegen den Koalitionsvertrag, die Kappung bei 30 Euro helfe vor allem Mietern von kleinen Wohnungen nicht. Auch der Mieterverein kritisierte, dass Lompscher nicht eine Begrenzung auf zwei Prozent für alle Mieterhöhungen seit der Abgeordnetenhauswahl durchgesetzt hat. Insgesamt wertete er die Vereinbarung aber als „zentralen Baustein für eine sozialere Wohnungspolitik“.
Mieter auf dem freien Markt – die große Mehrheit der Berliner – profitieren nur indirekt von den neuen Regelungen: Die Mieten der Wohnungsgesellschaften fließen in den Mietspiegel ein – an dem sich auch private Vermieter orientieren müssen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja