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Der scheiternde Präsident

USA Donald Trump scheitert mit der Abschaffung des Gesundheitssystems Obamacare an den eigenen Abgeordneten. Zum dritten Mal kann der Präsident seine großen Wahlkampfversprechen nicht einlösen

Aus New York Dorothea Hahn

Die DemokratInnen feiern einen Sieg. „Heute ist ein großer Tag für unser Land“, sagte ihre Fraktionschefin im Repräsentantenhaus, Nancy Pelosi, am Freitag mit strahlendem Lächeln. Linke AktivistInnen jubilierten darüber, dass ihre Telefonkampagnen, ihre öffentlichen Debatten und ihre Demonstrationen Obamacare gerettet haben. Und der republikanische Speaker Paul Ryan gab beim Rückzug seines Gesetzentwurfs niedergeschlagen zu: „In absehbarer Zukunft werden wir mit Obamacare leben müssen.“

Man kann nicht eben behaupten, dass der neue US-Präsident Donald Trump sonderlich erfolgreich agiert. „Ich denke nicht, dass es je zuvor einen gewählten Präsidenten gab, der in so kurzer Zeit getan hat, was wir getan haben“, lobte sich Trump vor einigen Wochen selbst. Tatsächlich konnte er bisher in keinem der Politikfelder punkten, mit denen er im Wahlkampf angetreten war. Der Kampf gegen den Terror mittels harscher Einreisebeschränkungen gegenüber muslimisch geprägten Staaten: gleich zweimal vor US-Gerichten gescheitert. Trumps Versprechen des Baus einer Mauer zu Mexiko, die das Nachbarland bezahlen werde: völlig ungewisse Finanzierung. Und jetzt die Ablösung des verhassten Gesundheitssystems: an den eigenen Abgeordneten gescheitert.

Angesichts dieser dürftigen Bilanz gab sich nur Trump selbst trotzig und verkündete, Obamacare werde „explodieren“. Allerdings blieb er die Erklärung schuldig, wie das geschehen wird. „Wir werden dieses desaströse Gesetz abschaffen und ersetzen“, hatte Trump einen Wahlkampf lang geprahlt. „Es wird eine echte Veränderung geben, auf die wir stolz sein können.“

Schon an seinem ersten Tag im Amt wollte er Obamacare abschaffen. Unmittelbar danach sollte der Kongress ihm ein neues Gesetz vorlegen. Diese Alternative in Form von Trumpcare ist am 64. Tag des Präsidenten im Weißen Haus gescheitert.

Verantwortlich dafür ist die tiefe Spaltung im Inneren der republikanischen Mehrheitsfraktion. Trotz hartnäckiger Verhandlungen bis zum letzten Moment standen nicht genügend RepublikanerInnen hinter dem Gesetz. „Wir haben nicht den nötigen Konsens“, begründete Speaker Ryan, als er Trumpcare zurückzog, bevor es zur Abstimmung kam.

„Wir werden dieses desaströse Gesetz abschaffen und ­ersetzen“

Trumps Wahlversprechen

Tatsächlich waren zuletzt zwischen 28 und 35 Mitglieder der republikanischen Mehrheitsfraktion gegen Trumpcare. Ihre Gründe gingen auseinander. Einigen moderaten RepublikanerInnen gingen die Streichungen in der Gesundheitsversorgung zu weit. Den meisten GegnerInnen hingegen gingen sie nicht weit genug.

Die Mitglieder des radikal rechten, aus der Tea Party hervorgegangenen Freedom Caucus haben sieben Jahren lang mit wütender Energie gegen Obamacare gekämpft, weil es zu viel öffentliche Gelder in die Gesundheitsversorgung von Armen und Niedriglohnempfängern stecke. In ihren Augen war Trumpcare nicht radikal genug anders. Trumpcare hätte zwar bis Mitte des nächsten Jahrzehnts 24 Millionen Menschen ihrer gerade erst erhaltenen Krankenversicherung beraubt, und hätte die bisherigen Subventionen in Steuervorteile verwandelt, die vor allem Besserverdienenden nutzen würden, doch zugleich wären weiterhin Milliarden aus dem Bundeshaushalt an die Bundesstaaten gegangen.

Seit das Gesetz von Trump und Ryan gescheitert ist, geht ein spürbares Aufatmen durch das Land. Die DemokratInnen im Kongress und in den Bundesstaaten hatten sich in seltener Geschlossenheit gegen Trumpcare positioniert. Die Rettung von Obamacare, exakt sieben Jahre und einen Tag nachdem es geschaffen worden war, erschien ihnen wie eine späte Genugtuung für Expräsident Barack Obama. Zugleich wollen sie es als positives Zeichen für ihre künftigen Wahlchancen verstehen.

Doch auch zahlreiche republikanische PolitikerInnen in der tiefen Provinz zeigten sich am Freitag erleichtert. Trumpcare hätte riesige Löcher in die Gesundheitsversorgung gerissen. Zu den zahlreichen Opfern hätten Drogenabhängige und psychisch Kranke gehört, auch die Einrichtungen zur Familienplanung hätten Mittel und Personal verloren.

Die Linke hat Obamacare in den zurückliegenden Wochen mit einer massiven Mobilisierung verteidigt. Überall im Land haben Menschen, von denen viele nie zuvor politisch aktiv waren, Druck auf Kongressabgeordnete gemacht, damit sie Obamacare behalten. Mancherorts kamen Tausende auf kleinen Straßen vor den privaten Wohnhäusern von – demokratischen und republikanischen – Abgeordneten zusammen. Auf ihren Transparenten war von Leben und Tod die Rede.

Wie Trump spaltet

Für Trump, gegen Trump: Bei einer Demonstration in der US-Metropole Los Angeles sind am Samstag Befürworter und Gegner von Präsident Donald Trump aneinandergeraten. Die Polizei habe vier Menschen festgenommen, berichtete die LA Times.

Pfefferspray und Prügel: Etwa 2.000 Trump-Unterstützer hatten sich am Strand im Stadtteil Huntington Beach versammelt, als sie auf eine kleine Gruppe Trump-Gegner stießen. Einige Trump-Gegner sollen Pfefferspray auf die Anhänger des Präsidenten gesprüht haben. Auf einem Video war zu sehen, wie einer der Trump-Gegner zu Boden geworfen und getreten wurde.

Wenige Trump-Unterstützer:Im etwa 40 US-Städten hatten am Sonntag Trump-Unterstützer zu Märschen aufgerufen. Die Teilnehmerzahlen blieben Medienberichten zufolge unter den Erwartungen. Trump twitterte dennoch: „Tolle Unterstützung. Wir alle werden Amerika wieder großartig machen.“ (dpa,taz)

Nach der überraschenden Wende in Washington wollen die linken VerteidigerInnen von Obamacare jetzt versuchen, die Unzulänglichkeiten und Lücken von Obamacare zu reparieren.

Der Augenblick scheint günstig. Noch vor wenigen Jahren galt eine öffentliche Krankenversicherung für fast alle in den USA als ein sozialistischer Unsinn. Im Wahlkampf trat lediglich Bernie Sanders dafür ein. Doch nach Umfrage des Instituts Gallup ist eine öffentliche Krankenversicherung jetzt der Wunsch einer Mehrheit von US-AmerikanerInnen.

Mitarbeit: klh

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