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Gier oder nicht Gier, das isthier die Frage

Justiz I In München beginnt ein aufsehen- erregender Prozess gegen Georg Funke, den früheren Vorstandschef der HRE-Bank.Es geht um mehrere Milliarden Euro,die das Geldhaus versenkt haben soll

Jetzt lacht er noch: Ex-Bankenchef Funke Foto: Matthias Schrader/ap

Aus München Patrick Guyton

Gut acht Jahre lang war Georg Funke kaum mehr als ein Phantom. Mal wurde gemeldet, dass der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Hypo Real Estate (HRE) entgangenes Gehalt und Rentenbezüge einklagt. Mal gab es Berichte, dass Funke eine Zeit lang auf Mallorca als Immobilienmakler aktiv war und dort Luxushäuser und -villen vermittelte. Fotos von ihm existierten in all der Zeit seit seiner Entlassung aus der Bank im Herbst 2008 überhaupt keine.

Eines aber ist bis heute klar: Funke gilt als das deutsche Gesicht der Banken- und Finanzkrise. Als Buhmann und für manche als Hassobjekt und Symbol eines ungezügelt-zerstörerischen Kapitalismus.

Jetzt steht der 61-Jährige als Angeklagter vor der Wirtschaftsstrafkammer des Münchner Landgerichts. Es geht nicht um ein paar oder auch um ein paar hundert Millionen Euro, die durch die HRE versenkt worden sind, weswegen das Geldinstitut mit Steuermitteln „gerettet“ werden musste. Ob ein Schaden von eher zehn oder 100 Milliarden Euro entstanden ist, lässt sich noch nicht abschätzen.

Am Montag kurz vor halb zehn betritt Georg Funke den kleinen Gerichtssaal B 275 im Münchner Justizzentrum. Das unablässige Klacken der Fotoapparate beginnt. Es fällt auf, dass Funke sich nicht verändert zu haben scheint. Und er sieht so aus, als ob er gerade aus seinem Banken-Chefbüro käme – schwarzer Anzug, weißes Hemd, dunkelblaue Krawatte mit ein paar hellen Streifen. Mit Funke ist auch der ehemalige HRE-Finanzvorstand Markus Fell angeklagt. Den beiden wird vorgeworfen, noch kurz vor dem Fast-Zusammenbruch von HRE bewusst geschönte Berichte über den Zustand der Bank geliefert zu haben. Im Wirtschaftsrecht nennt sich das „unrichtige Darstellung“ und kann mit bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft werden.

Außer ein paar Angaben zu seiner Person zu machen, sagt Funke an diesem ersten Prozesstag nichts. Dafür äußert sich sein Verteidiger Wolfgang Kreuzer vor Beginn schon ausführlich im Gerichtsflur. „Ich kann bei ihm keinen Fehler entdecken“, sagt er. Sein Mandant wolle freigesprochen werden. Schuld am HRE-Desaster sei vielmehr der damalige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) mit seiner „unbedachten Äußerung“, dass die Bank abgewickelt werden müsse.

Das Verfahren gegen Funke zieht sich schon überlang. Erst brauchte die Staatsanwaltschaft Jahre für die Ermittlungen und das Verfassen der Anklageschrift. Im August 2014 wurde das Papier vorgelegt, dann prüfte das Gericht mehr als zwei Jahre, ob Anklage erhoben wird. Indizien dafür, dass es der Justiz schwerfällt, Funke etwas Habhaftes anzulasten?

Ob Funke aber in seinem undurchsichtigen HRE-Geflecht womöglich große Fehler gemacht und die Bank fast an die Wand gefahren hat, wird in München nicht verhandelt. „Wenn einer schlechte Geschäfte macht und falsch handelt“, sagt die Gerichtssprecherin Andrea Titz, „dann ist das nicht strafbar.“

Funke hat sich nicht verändert. Im Gerichtssaal sieht er aus, als käme er gerade aus seinem Banken-Chefbüro

Rückblick auf den Herbst 2008: In den USA brach die Investment-Bank Lehman Bro­thers, die international Immobilienprojekte finanzierte, zusammen. Die US-Regierung unter Präsident George W. Bush rettete sie nicht. Grund für die Bankenpleite war, dass auf dem US-Immobilienmarkt jede Menge Kredite an Hauskäufer vergeben wurden, die ihre Schulden kaum abbezahlen konnten. Zugleich gingen die Immobilienpreise durch die Decke, es entstand eine Blase. Den Banken wurde der Vorwurf gemacht, diese Entwicklung angeheizt zu haben.

Lehman Brothers wurde als „systemrelevant“ für den Zahlungsverkehr unter den Banken eingeschätzt, wie die Staatsanwältin Franziska Schmidt in der 60 Seiten langen Anklageschrift feststellt. Ein Geschäftsmodell der HRE war es, langfristige Kredite an große, sogenannte „institutionelle Anleger“ wie etwa Versicherungen zu vergeben für weltweite Immobilienprojekte. Dies wiederum wurde mit kurzfristigen Krediten von anderen Banken finanziert, die nur Wochen oder gar Tage liefen. Da sich die Institute dann aber gegenseitig misstrauten, kam es zum „vollständigen Zusammenbruch des Interbankenmarkts“, so Schmidt. Immer mal wieder nickt Georg Funke wissend bei den Ausführungen der Staatsanwältin.

Da die HRE für Deutschland als „systemrelevant“ eingeschätzt wurde, rettete der Staat sie – und verstaatlichte sie als bisher einzige Bank. Dafür wurden schätzungsweise 19 Milliarden Euro an Steuergeldern ausgegeben und Garantien über 145 Milliarden gegeben. Die faulen, „toxischen“ Papiere wurden in eine 2010 eigens dafür gegründete Bad Bank geschoben: Die FMS Wertmanagement in München muss Schulden und Papiere abwickeln, die praktisch nichts mehr wert sind.

Georg Funke aber will für seine Unschuld kämpfen. Vor Gericht will er sich ausführlich äußern. Seine Einlassung soll 200 Seiten umfassen.

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