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Zu Gast bei fremden Freunden

Trend Supper-Klubs verbinden die Vorzüge des Auswärtsessens mit der intimen Atmosphäre eines geselligen Mahls in der privaten Wohnung von Bekannten

von Pia Siber

Festlich essen und neue Leute kennenlernen – das geht in Supper-Klubs. Das ist eine Alternative zu Restaurants, eine privatere und weniger normierte Art, auswärts zu essen. Etabliert sind sie schon in den größeren Städten, in Hamburg, in Hannover und in Bremen. Aber auch die Braunschweiger „Gerüchteküche“ ist fast immer Monate im Voraus ausgebucht, und ebenso hat der Trend in Oldenburg Fuß gefasst: Der dortige Supper-Klub lädt zu einem ausgesprochen fleischlastigen Fünf-Gänge-Menü an Karfreitag, wenn die traditionellen Restaurants meist dicht haben. Im Supper-Klub aber öffnen die GastgeberInnen ihre Wohnung und bewirten Fremde am eigenen Küchentisch.

Ganz neu ist die Idee nicht. Schon seit einigen Jahrzehnten gibt es diese „geheimen“ Restaurants in Südamerika. Dort entstanden sie aus der Not heraus. Die Eröffnung eines legalen Res­taurants war zu teuer, weshalb die „Guerilla-Köche“ sich so etwas dazuverdienten.

Seit einigen Jahren findet man Supper-Klubs auch in Europa. Besonders in Großstädten werden sie immer beliebter. Von manchen muss man immer noch wissen, um sie zu finden. Aber mittlerweile sind viele auch aus dem Untergrund aufgetaucht und man findet Einladungen zu diesen Festessen im Internet.

In Hamburg bekocht die 79 jährige Monika Fuchs regelmäßig bis zu 20 Leute in ihrer Wohnung. Jeden Freitag öffnet sie die Tür ihrer Altbauwohnung in der Isestraße. Nach Fernsehauftritten und großen Magazinstorys sind die Wartezeiten für einen Platz an ihrem Esstisch allerdings nichts für Ungeduldige: Erkundigen kann man sich danach per E-Mail an: studiocatering@gmx.de. Die leidenschaftliche Köchin nutzt die Abende, um Geld für die Kinderkrebsstiftung „Waldpiraten-Camp“ zu sammeln.

Auch Jumana und Stephan Mattukat kochen in Bremen für eine gute Sache. Sie möchten ihre Gäste für veganes Essen begeistern. Seit drei Jahren laden sie alle paar Monate zu einem veganen Abend ein. „Oft sind die Leute überrascht, was man alles vegan kochen kann und wie gut es schmeckt“, sagt Jumana Mattukat. Sie hat den Impuls für die vegane Ernährung in ihre Familie gegeben, bekocht werden die Gäste von ihrem Mann. „Er hat sogar mal überlegt, ein Restaurant zu eröffnen“, sagt sie. Aber nur ab und zu für Gäste zu kochen, gefalle ihm besser.

Zuerst fanden die Abende zwei- bis dreimal im Monat statt, aber das sei zu viel gewesen. Ihr gemeinsames „My private vegan restaurant“ hat sich über die Jahre etabliert und ist zum Selbstläufer geworden. Häufig kommen die Leute auf Empfehlung, manche kommen auch mehr als einmal. „Einige sind sogar zu Freunden geworden“, sagt Mattukat.

Dabei möchten sie nicht mit erhobenem Zeigefinger für eine vegane Ernährung werben. Aber: „Es ist mir wichtig, dass man sich das einmal durch den Kopf und durch das Herz gehen lässt“, sagt Mattukat. Einmal habe ein Gast gesagt, ihm seien die Tiere scheißegal. „Damit kann ich leben“, sagt Mattukat, „aber man sollte eine bewusste Entscheidung treffen.“

Das Interesse an veganer Ernährung verbinde die Gäste. Beim ersten Abend sei ein 90-Jähriger zu Gast gewesen. Das habe sie beeindruckt, sich in dem Alter noch auf etwas derart Neues einzulassen. „Meine Gäste sagen oft, ich sei mutig. Aber sie sind es, die mutig sind“, sagt Mattukat. Immerhin betritt man das Haus von Fremden, setzt sich mit anderen Fremden an einen Küchentisch und lässt sich von dem überraschen, was die Gastgeber servieren. Wer sowas ausprobiert, sei immer mutig und neugierig – daher würden sich die Leute wohl auch immer verstehen.

Veganes Essen sei zwar nicht für alle völlig neu, aber es sei eben etwas anderes, als in ein Restaurant zu gehen. Denn trotz oder gerade weil sich die Gäste vorher nicht kennen, entstünden immer tief gehende Gespräche. Immer wieder kämen auch Leute, die sich anschauen, wie ein solcher Abend gestaltet wird, um anschließend selbst in die Rolle des Gastgebers zu schlüpfen. Natürlich freut sich Jumana Mattukat, wenn diese neu entstehenden Supper-Klubs ebenfalls vegan kochen, aber es gibt auch viele, die nicht auf tierische Produkte verzichten.

Am Anfang hat sie überlegt, eine Online-Datenbank für vegane Supper-Klubs zu gestalten, aber diese Idee hat sie verworfen. Nun empfiehlt sie supperclubbing.com von Nikolai Schmidt: Auf der Site kann man sich kostenlos registrieren, um als Gast an Abendessen teilzunehmen oder Gäste fürs eigene Supper-Klub-Essen zu finden.

„Es geht nicht nur um gutes Essen. Es geht um die Gemeinschaft und um Gemeinsamkeiten“

Alla Maer, Gründerin von Foodatlas, Hannover

In Hannover ist Alla Maer die Gastgeberin. Sie interpretiert ihren Supper-Klub dabei etwas anders. Hinter dem Namen „Foodatlas“ verbirgt sich mittlerweile auch eine Kochschule, doch begonnen hat Maer ihre Selbstständigkeit mit Supper-Klub-Abenden. Eine Ausbildung zur Köchin habe sie nicht, aber langjährige Erfahrung in einem Catering-Service. Das habe sie auch dazu gebracht.

Ihr Klub im Pelikan-Viertel hat zweifellos den höchsten Professionalisierungsgrad im Norden, aber Maers Ausgangspunkt war sehr nahe bei den südamerikanischen Ursprüngen. Maer wollte ihre eigenen Ideen umsetzten, aber ein richtiges Restaurant war zu riskant. Nun finden ihre Festessen vor allem im Winter statt, ungefähr einmal im Monat. Sie kocht dabei auch mit tierischen Produkten und lädt ihre Gäste statt zu sich nach Hause in ein Kochstudio ein. Die Abende haben immer einen thematischen Schwerpunkt, beispielsweise die osteuropäische Küche oder „Einmal um die Welt“. Passend zu den Gerichten werden auch kleine Geschichten und Anekdoten serviert, um die Gäste nicht nur kulinarisch auf eine Reise mitzunehmen.

Auch wenn man bei den “Foodatlas“-Abenden nicht an einem privaten Küchentisch sitzt, sei es anders als in einem gewöhnlichen Restaurant. „Man sollte ins Restaurant gehen, aber auch zu uns“, sagt Maer. Beim Supper-Klub gehe es halt nicht nur um gutes Essen, sondern auch um das Erlebnis, mit Fremden familiär zusammenzusitzen.

„Es geht um die Gemeinschaft und um Gemeinsamkeiten“, sagt Maer. Es sei immer eine Gruppe von Menschen, die sich nicht kennen, aber das Interesse an gutem Essen verbinde sie. Die Supper-Klubs seien in Norddeutschland noch nicht so verbreitet. „Wir wollen ein Netzwerk schaffen“, sagt Maer. Nicht nur um die Idee der Supper-Klubs zu verbreiten, sondern auch, um Menschen zusammenzubringen.

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