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Neutralitätsgesetz unter Druck

Justiz Bei Lehrerinnen und Erzieherinnen hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe bereits gegen generelle Kopftuchverbote entschieden. Das hatte auch Auswirkungen auf die Berliner Rechtsprechung. Ein Überblick

Neue Urteile des Bundesverfassungsgerichts haben in den letzten zwei Jahren Bewegung in die Kopftuchdebatte gebracht. Dies hat auch Auswirkungen auf Berlin, wie jüngst eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts zeigte.

Im Mittelpunkt der Diskussion standen von Beginn an Kopftuch tragende Lehrerinnen. 2003 entschied das Bundesverfassungsgericht im Fall von Fereshta Ludin aus Baden-Württemberg, dass Kopftücher an Schulen grundsätzlich verboten werden können – allerdings nur auf Grundlage eines Gesetzes. Die meisten Bundesländer fügten daraufhin entsprechende Verbotsnormen in ihre Schulgesetze ein.

Dann aber änderte das Bundesverfassungsgericht im März 2015 seine Rechtsprechung im Fall von zwei Pädagoginnen aus NRW. Karlsruhe entschied unter Berufung auf die Religionsfreiheit, dass Kopftuchverbote künftig nur noch möglich sind, wenn eine konkrete Gefahr für den Schulfrieden besteht. Das NRW-Schulgesetz müsse in diesem Sinne „verfassungskonform“ ausgelegt werden. Eine Änderung des Schulgesetzes wurde nur verlangt, soweit bisher christliche Symbole ausdrücklich privilegiert wurden. In der Folge änderten fast alle Bundesländer ihre Einstellungspraxis. Das Tragen eines Kopftuchs gilt nun nicht mehr generell als Einstellungshindernis.

Berlin hielt aber an der Regelung in seinem Neutralitätsgesetz fest. Danach können Lehrerinnen nur an Berufsschulen mit Kopftuch unterrichten. Eine Lehrerin, die ihr Kopftuch auch als Grundschullehrerin tragen wollte, wurde daraufhin nicht eingestellt. Das Landesarbeitsgericht (LAG) sprach ihr deshalb Anfang Februar rund 8.000 Euro Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz zu. Denn auch das Berliner Neutralitätsgesetz könne verfassungskonform im Sinne der neuen Karlsruher Rechtsprechung ausgelegt werden.

Noch ist das LAG-Urteil allerdings nicht rechtskräftig. Sobald die schriftliche Begründung vorliegt, muss der Berliner Senat binnen einem Monat entscheiden, ob er Revision zum Bundesarbeitsgericht einlegt. Bisher ist dies im Senat noch offen.

Sollte das LAG-Urteil rechtskräftig werden, ist zweierlei klar: Der Senat muss auch Kopftuch tragende Grundschullehrerinnen einstellen. Eine Änderung des Neutralitätsgesetzes ist hierzu aber nicht erforderlich, weil es verfassungskonform ausgelegt werden kann.

Bei Erzieherinnen hat das Bundesverfassungsgericht im November 2016 seine neue Rechtsprechung bestätigt und kippte ein generelles Kopftuchverbot im baden-württembergischen Kita-Gesetz. Für Berlin ist dies aber nicht relevant. Denn im Berliner Kita-Förderungsgesetz ist das Tragen religiöser Symbole schon bisher grundsätzlich erlaubt.

Polizistinnen sind dagegen eine Berufsgruppe, bei der das Berliner Neutralitätsgesetz „sichtbare religiöse Symbole“ verbietet. Hier hilft auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht weiter, weil sich diese explizit nur auf Lehrerinnen und Erzieherinnen bezieht. Man kann nur spekulieren, ob Karlsruhe auch bei der Polizei der Religionsfreiheit den Vorrang gäbe.

Neue Diskussionen gibt es über Richterinnen mit Kopftuch, seit der baden-württembergische Justizminister Guido Wolf im Herbst 2016 ein entsprechendes Verbotsgesetz angekündigt hat. Wolf sieht sich als Pionier. Allerdings enthält das Berliner Richtergesetz, das auf das Neutralitätsgesetz verweist, bereits ein Kopftuchverbot für Richterinnen. Für Richterinnen liegt noch keine konkrete Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vor. Christian Rath

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