Peking will das Blaue am Himmel

Volkskongress Seit Jahren wächst China auf Kosten der Umwelt, hat Überkapazitäten und horrende Schulden aufgetürmt. Nun sollen die Probleme gelöst werden, mal wieder

Ein Chinese in einer Windkraftanlage, arbeitsschutzrechtlich korrekt behandschuht Foto: Carlos Barria/reuters

Von Felix Lee

PEKING taz | Zum Auftakt des Nationalen Volkskongresses, Chinas einmal im Jahr tagendes Scheinparlaments kündigte der chinesische Ministerpräsident Li Keqiang für sein Land ein Wachstumsziel von nur noch 6,5 Prozent an. Das ist die niedrigste Zielvorgabe einer chinesischen Regierung seit 26 Jahren.

2016 wuchs Chinas Wirtschaft noch um 6,7 Prozent. Li betonte in seiner fast einstündigen Rede vor den rund 3.000 Volksdelegierten zugleich, das Wachstum könne gern auch „höher sein, wenn möglich“. Priorität habe für ihn aber nicht länger hohes Wachstum, sondern „dringend notwendige Strukturreformen“.

Das Problem: Wachstum und Strukturreformen hängen in China direkt miteinander zusammen. Nach Jahrzehnten des zweistelligen Wirtschaftswachstums bekommt spätestens seit 2012 auch China die globale Wirtschaftsschwäche zu spüren. Mit massiven Investitionen in seine Infrastruktur, einer lockeren Kreditvergabe sowie Produktionssteigerungen bei seinen Staatsunternehmen hat die chinesischen Führung das Wachstum auf einem hohen Niveau gehalten. Allerdings sind damit gewaltige Überkapazitäten entstanden und die Schulden in die Höhe geschossen.

Li sprach ein paar dieser Probleme an, auch wenn der Ministerpräsident in seinem Rechenschaftsbericht vor allem die Errungenschaften seiner Regierung hervorhob. China solle aufmerksamer auf faule Kredite, Kreditausfälle, den Schattenbankensektor und Internet-Finanzdienstleistungen achten, sagte Li. Zudem solle der Schuldenabbau vorangetrieben werden, vor allem bei den Unternehmen.

Ähnliches hatte Li im vergangenen Jahr allerdings auch schon versprochen. Der Schuldenberg ist seitdem aber weitergewachsen. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt liegt die Staatsverschuldung nun bei rund 260 Prozent. Die Schulden seien „ohne jeden Zweifel die aktuell größte Herausforderung für die Wirtschaft“, bemerkte der China-Experte Brian Jackson von dem Beratungsunternehmen IHS Global Insight. Er kritisiert, dass immer weiter neue Kredite vergeben werden.

Andere Kennwerte, die Premier Li am Sonntag vortrug, können sich hingegen sehen lassen. So ist die Zahl der Menschen, die unter der Armutsgrenze leben, um 12,4 Millionen auf rund 40 Millionen gesunken. 2014 war die Zahl noch fast doppelt so hoch. Bis 2020 soll es in China so gut wie niemanden mehr geben, der unter der offiziellen Armutsgrenze lebt.

2020 soll in China niemand mehr unter der offiziellen ­Armutsgrenze leben

Auch die Luftverschmutzung will China stärker bekämpfen. Die Stahlproduktion soll um 50 Millionen Tonnen sinken, die von Kohle gar um 150 Millionen Tonnen. Die Kohleverbrennung ist größter Verursacher von klimaschädlichem CO2 und sorgt dafür, dass an vielen Tagen im Jahr riesige Teile Chinas in dichtem Smog versinken. Seine Regierung werde den Himmel „wieder blau“ machen, versprach Li. Insgesamt soll der Energieverbrauch in diesem Jahr um 3,4 Prozent zurückgehen.

Auf die Drohungen von US-Präsident Donald Trump ging Premier Li nicht ein. Seit Jahren führen die USA sehr viel mehr Produkte aus China ein als umgekehrt. Trump bezichtigte Peking der Währungsmanipulation und will einen 45-prozentigen Strafzoll auf chinesische Einfuhren erheben.

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