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Widersprüche und Übersetzungsfehler

Presserecht Die Ermittlungen gegen Deniz Yücel sind gesetzeswidrig, legt das Vernehmungsprotokoll nahe

von Ali Celikkan

BERLIN taz | Dem Haftrichter musste Deniz Yücel seinen Witz erklären. In einer Analyse über das türkische Verhältnis zu den Kurden hatte er ihn erzählt. Darin werden je ein zum Tode verurteilter Türke und Kurde nach ihrem letzten Wunsch gefragt. Der Kurde will ein letztes mal seine Mutter sehen. Der Türke wünscht sich, dass dem Kurden dies verwehrt bleibe.

Yücel bezeichnete die Anekdote als „guten Teil der Maxime und der Prioritäten der türkischen Politik in Syrien und im Irak“ – und rufe laut Richter damit „die verbrüderten türkischen und kurdischen Bürger offen zu Hass und Feindschaft gegeneinander auf.“

Laut Vernehmungsprotokoll, das der taz vorliegt, wurde Yücel zu Artikeln befragt, die er in den letzten zwei Jahren geschrieben hat. Die meisten wurden vor mehr als vier Monaten veröffentlicht. Laut Paragraf 26 des türkischen Presserechts dürfen Nachrichten, die die Grundlage einer Strafanzeige bilden, nicht älter als vier Monate sein – weil sie dann verjähren.

Das heißt: Selbst wenn das Interview, das Deniz Yücel im August 2015 mit PKK-Führungsfigur Cemil Bayık führte, strafbar wäre und als Grundlage für einen Prozess dienen sollte, müsste die Anklage fallen gelassen werden. Die Ermittlungen sind also gesetzeswidrig.

Yücels Anwalt Ferat Çağıl sagte am Montag während der Vernehmung: „Ich denke, diese Ermittlungen könnten an Jura-Fakultäten als Beispiel eingeführt werden zum Thema: ‚Wie Ermittlungen nicht geführt werden dürfen‘.“

Terror überall

Hinzu kommt noch, dass das Wort „Terror“ in der Türkei derzeit äußerst inflationär benutzt wird. Wie Ministerpräsident Binali Yıldırım kürzlich anmerkte, gibt es „kein Land auf der Welt, das gegen so viele unterschiedliche Terrororganisationen kämpft, wie die Türkei“. Allen Texten, die nicht der Regierungsrhetorik entsprechen, kann somit automatisch vorgeworfen werden, sie „glorifizierten“ Terrororganisationen. Mit eben dieser Beschuldigung wird nun auch Yücel konfrontiert.

Im Interview mit Cemik Bayık versucht Yücel, laut Justiz, „die bewaffnete ­Terrororganisation PKK/KCK zu legitimieren“. Ein anderer Artikel, in dem Yücel schreibt, dass es „Zweifel“ an der offiziellen Version des Putschversuchs vom Juli 2016 gibt, wird wiederum als „Propaganda für die FETÖ-Terrororganisation“ um die Gülen-Bewegung gewertet. Ein Ermittlungsverfahren, das mit dem Verdacht auch Zusammenarbeit mit der Hacker-Gruppe RedHack begann, hat sich plötzlich in eine Anklage verwandelt, die mit völlig widersprüchlichen Organisationen zu tun hat.

Yücel wurde bei der Staatsanwaltschaft bloß eine einzige Frage zu RedHack gestellt. Im Haftantrag fand sich jedoch kein einziges Wort mehr zu dieser Organisation. Da wohl im Zusammenhang mit den Ermittlungen um die geleakten Mails von Energieminister Berat Albayrak keine Beweise gefunden werden konnten, wurde Yücel nun der „Terrorpropaganda“ beschuldigt. Als Beweismaterial gelten seine Artikel. Deniz Yücel wurde demnach wegen Berichterstattung verhaftet. Vor dem Haftrichter antwortete Deniz Yücel auf die Anschuldigungen: „Die einzige Organisation, bei der ich Mitglied bin, ist eine deutsche Journalistengewerkschaft. Ich mache Journalismus. Und dabei orientiere ich mich an universellen Presseprinzipien und grundlegenden Menschenrechten.“

Schlecht übersetzt

Darüber hinaus sind die deutschen Artikel nur äußerst fehlerhaft ins Türkische übersetzt worden. Zum Beispiel gibt es einen Text, der im Oktober 2016 in der Welt erschien, aus dem das Wort „frömmlerisch“ als „intolerant“ übersetzt wurde.

Yücels Anwälte wollen nun Einspruch gegen seine Verhaftung einlegen. Yücel, der sich derzeit im Istanbuler Metris-Gefängnis befindet, soll am Abend in die Haftanstalt in Silivri, ebenfalls in Istanbul, gebracht werden, wo sich auch viele seiner Kolleg*innen befinden. Einige von ihnen warten immer noch darauf, dass ihre Anklageschrift vorbereitet wird (siehe Text unten).

Für die Cumhuriyet-Mitarbeiter ist es schon der 117. Tag in Untersuchungshaft. Ein im Zuge der RedHack-Ermittlungen verhafteter Journalist ist seit 43 Tagen dort. Und dann gibt es noch jene, die schon viel länger warten, etwa Ahmet und Mehmet Altan, sowie Şahin Alpay.

Unterdessen hat eine weitere Zeitung den Groll von Staatspräsident Erdoğan erregt. Nach einem Bericht der Hürriyet über die „Verstimmung“ im Militär über die unabgesprochene Aufhebung des Kopftuchverbots im Militär seien rechtliche Schritte eingeleitet worden.

Aus dem Türkischen übersetzt von Fatma Aydemir

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