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Eine Woche bei Mama,eine Woche bei Papa

JUSTIZ Familiengerichte können das Wechselmodell auchdann anordnen, wenn ein Elternteil dagegen ist, entscheidetder Bundesgerichtshof. An erster Stelle steht das Kindeswohl

Kinderbetreuung mal hier, mal dort: für den BGH kein Problem Foto: Dominik Butzmann/laif

Aus Karlsruhe Christian Rath

Wenn die Eltern gemeinsames Sorgerecht haben, kann das Familiengericht nach der Trennung anordnen, dass das Kind abwechselnd bei Vater und Mutter wohnt. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Grundsatzbeschluss geklärt, der am Montag veröffentlicht wurde. Entscheidendes Kriterium sei das Kindeswohl.

Im konkreten Fall ging es um eine Familie aus Franken. Die Eltern ließen sich scheiden. Der Vater wollte den heute 13-jährigen Sohn im Wechselmodell betreuen. Jeweils montags sollte der Junge zwischen den Elternteilen wechseln. Doch die Mutter, bei der das Kind derzeit überwiegend lebt, lehnte das ab. Ihr Argument: Der Vater halte sich zu wenig an getroffene Absprachen.

Dann ging der Vater vor Gericht: Da eine einvernehmliche Regelung nicht möglich war, solle nun das Familiengericht das Wechselmodell anordnen. In den ersten beiden Instanzen wurde der Antrag des Vaters jedoch abgelehnt. Zuletzt entschied das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg im Dezember 2015. Das Wechselmodell könne schon aus rechtlichen Gründen im Rahmen einer Umgangsregelung nicht angeordnet werden. Im Übrigen sei ein Wechselmodell auch mit Blick auf das Kindeswohl nicht geeignet, wenn ein Elternteil dagegen ist.

Die juristische Debatte wogt schon seit einigen Jahren. Die vorrangige Ansicht war, dass das Wechselmodell nur einvernehmlich eingeführt werden kann.

Der BGH hat das in seinem Grundsatzbeschluss nun aber anders entschieden. Die Ablehnung eines Elternteils allein könne das Wechselmodell nicht verhindern. Denn maßgebend sei das Kindeswohl – und es könne ja sein, dass der ablehnende Elternteil andere Interessen verfolge als das Kindeswohl.

Umgekehrt könne aber auch nicht automatisch unterstellt werden, dass ein Wechselmodell für das Kind das Beste ist, so der BGH. Zwar gehe das Gesetz davon aus, dass der Umgang des Kinds mit beiden Elternteilen dem Kindeswohl entspricht. Ein paritätischer Umgang mit gleich viel Zeit bei Vater und Mutter sei aber für Eltern und Kind mit deutlich höheren Anforderungen verbunden und deshalb nicht per se ideal.

Wenn also ein sorgeberechtigter Elternteil das Wechsel­modell beantragt, müssen die Familiengerichte künftig prüfen, ob dies dem Kindeswohl entspricht. Voraussetzung ist vor allem, dass das Kind eine „tragfähige Beziehung“ mit „sicheren Bindungen“ zu beiden Elternteilen hat. Auch die praktischen Voraussetzungen müssen gegeben sein. Von beiden Wohnungen aus müssen Schule oder Kita gut erreichbar sein.

Bisher galt: Das Wechselmodell geht nur einvernehmlich. Der BGH sieht das nun anders

Kooperationswillig?

Zudem müssen die Eltern kooperations- und kommunikationsfähig sein. Wenn die Eltern ständig über die Gestaltung des Wechselmodells streiten, könne das für ein Kind, das mal beim einen, mal beim anderen Elternteil lebe, zu Loyalitätskonflikten führen. Der BGH glaubt auch nicht, dass ein Wechselmodell geeignet ist, stark streitende Eltern zu einem „harmonischen Zusammenwirken“ bei der Erziehung zu veranlassen.

Nicht zuletzt kommt es aber auf den Willen des Kindes an. Dieses muss vom Familiengericht angehört werden. Je älter das Kind ist, umso gewichtiger sei seine Meinung, so der BGH. Das OLG hatte auf ein Gespräch mit dem Sohn verzichtet, weil es das Wechselmodell in dieser Konstellation ohnehin für unzulässig hielt.

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