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Sojafleisch ist kein Gemüse

Qualität Vegane Convenience-Produkte boomen. Viele sind aber weder gesund noch nachhaltig. Insbesondere Wurst- und Fleischersatz geraten immer wieder in die Kritik

Gerste: ein vegetarischer Klassiker frisch vom Feld Foto: Erik-Jan Ouwerkerk

von Ulrike Schattenmann

Unlängst hat der große Supermarkt im Kiez seine Produkte neu sortiert. Jetzt stehen Tofuwürstchen, Seitanschnitzel, Humus und Kürbispaste nicht mehr in unterschiedlichen Ecken, sondern ziemlich prominent in einem meterlangen Regal vor der Kassenzone. Kein Zweifel: Vegan und Veggie sind aus der Nische raus. Laut Marktforschungsinstitut Nielsen erwirtschaftete der Lebensmittel­einzelhandel im Jahr 2015 einen Umsatz von über 150 Millionen Euro mit vegetarisch-veganen Wurst- und Fleischalternativen, mehr als doppelt so viel wie im Jahr zuvor.

Vorbei also die Zeiten, als Veganer wie spinnerte Exoten betrachten wurden. Immer mehr Lebensmittelkonzerne vermarkten ihre Produkte unter dem Label „vegan“. Selbst Fleischproduzenten wie die Rügenwalder Mühle sind auf den Trend aufgesprungen und bieten pflanzliche Alternativen an: Ob Aufschnitt, Frikadellen, Currywurst oder Pfannengyros – das alles ist inzwischen ohne totes Tier erhältlich. Der Markt ist da, auch wenn sich andeutet, dass diese Produkte nicht mehr ganz so stark nachgefragt werden wie noch vor zwei Jahren. So beobachtet die Gesellschaft für Konsumforschung GfK 2016 erstmals seit Jahren ein sich abschwächendes Umsatzwachstum für vegetarische Fleischwurst, Sojaschnitzel und Co.

Das könnte auch daran liegen, dass einige der Produkte in Untersuchungen von Verbraucherstiftungen nicht gut wegkommen. Erst letzten Herbst hat Stiftung Warentest hohe Mengen an Mineralölbestandteilen in fünf pflanzlichen Bratwürsten – alle übrigens aus Bioproduktion – und einem Veggie-Schnitzel entdeckt. Außerdem bemängelten sie den hohen Salz- und Kaloriengehalt in vegetarischem Fleischersatz. Zu ähnlichen Erkenntnissen waren einige Monate vorher schon die Kollegen von Öko-Test gekommen. Sie wiesen zudem in drei Produkten gentechnisch verändertes Soja nach.

Am besten zu unverarbeiteten und frischen Produkten greifen

Das zeigt die widersprüchliche Entwicklung einer Branche von der Nische in den Mainstream auf. Einerseits ist es eine gute Nachricht, dass die Auswahl an pflanzlichem Fleisch­ersatz so groß geworden ist und man diese Produkte überall erhalten kann. Schließlich galt vor nicht allzu langer Zeit vegane Ernährung noch als kompliziert und zeitaufwendig. Die wachsende Zahl von Convenience-Produkten macht es nun auch Skeptikern leichter, sich fleischlos zu ernähren.

Laut Vebu, dem Vegetarierbund Deutschland, sind es insbesondere die Flexitarier, die auf pflanzliche Fleisch- und Wurstalternativen zurückgreifen. So nennt man Teilzeitvegetarier, die auf Fleisch nicht völlig verzichten wollen, den Konsum aber deutlich einschränken. 43 Millionen Flexitarier soll es in Deutschland inzwischen geben, sie gelten als Nachfragetreiber von veganen und vegetarischen Produkten. Produkte wie Tofuwürstchen und Seitanhack vereinfachten es ihnen, auf eine fleischfreie Ernährung umzusteigen.

Andererseits sind industrielle Fertigprodukte eben nicht gleich gesund und nachhaltig, nur weil sie vegan sind. Panierte Sojaschnitzel aus dem Tiefkühlfach können genauso dick machen wie panierte Schweineschnitzel und ähnliche chemische Zusatzstoffe aufweisen. Auch das Argument, vegane Ernährung habe die bessere Klimabilanz, ist zumindest bei der Zutat Soja nicht immer stichhaltig. Stammt sie aus Brasilien, ist es wahrscheinlich, dass für ihren Anbau Regenwald gerodet wurde.

Pflanzlicher Fleischersatz

Neben dem Klassiker Tofu, der ähnlich wie Käse aus Sojamilch hergestellt wird, hat sich inzwischen auch das traditionelle indonesische Fermentations­produkt aus gekochten Soja­bohnen – Tempeh – etabliert.

Noch wenig verbreitet sind Schnitzel, Burger und Würstchen auf der Basis bunter Süßlupinen-Saat. Im Gegensatz zu Soja kann diese Pflanze problemlos fast überall in Deutschland angebaut werden – und hat damit eine deutlich bessere Ökobilanz.

Der Konsistenz und dem Mundgefühl von Fleisch kommt angeblich Seitan am nächsten. Vegetarier und Veganer mit Weizenallergie sollten davon allerdings die Finger lassen. Seitan ist reines Weizeneiweiß und entsteht durch Mischen von Mehl und Wasser.

„Grundsätzlich sehe ich die Entwicklung von veganen Convenience-Produkten kritisch“, sagt auch Björn Moschinski, einer der bekanntesten veganen Köche Deutschlands. Aber sie komplett zu verteufeln sei weder lebensnah noch praktikabel. Moschinksi rät, lieber Bio anstatt konventionell zu kaufen und sich in jedem Fall die Zutatenliste der Produkte genau anzuschauen. „Selbst Humus aus der Frischetheke im Supermarkt enthält Zucker, das muss nicht sein.“ Wer sich ausgewogen und gesund ernähren will, sollte möglichst selbst kochen und dabei frische, unverarbeitete Produkte verarbeiten.

So ähnlich sehen das auch Jörg Mayer und Nadine Horn. Auf ihrem veganen Blog www.eat-this.org veröffentlichen sie unkomplizierte vegane Rezepte, die auch funktionieren, wenn es schnell gehen muss, etwa eine selbstgemachte Instantsuppe aus Glasnudeln, Gemüse und Gewürzen. Wie viele Veganer verzichten die beiden aus ethischen Gründen auf Fleisch und Wurst – der Geschmack und das Mundgefühl fehle ihnen daher schon manchmal, sagen sie. Ihr Credo: Nicht alles so verbissen sehen. „Uns ist natürlich klar, dass fertige Tofuwürstchen, Sojasteaks und Ähnliches nicht wirklich etwas mit gesunder Ernährung zu tun haben“, schreiben sie per Mail. Aber man dürfe sich pflanzlichen Fleischersatz hin und wieder auch mal gönnen. „Sich selbst eine Freude machen ist auch gesund.“

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