: Neue Standards für Gefährder
SICHERHEIT Nach dem Terrorfall Anis Amri soll die Überwachung von Islamisten künftig länderübergreifend erfolgen. Die Union kritisiert den Umgang NRWs mit dem Tunesier
Aus Berlin Konrad Litschko
Als Konsequenz aus dem Terrorfall Anis Amri wollen Union und SPD den Umgang mit Gefährdern zentralisieren. „Wir brauchen einheitliche Standards“, sagte am Montag SPD-Innenexperte Burkhard Lischka. Zuvor schon hatte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) eine bessere Koordinierung und mehr Kontrolle desBKA über Gefährder gefordert.
Fünf Stunden tagte am Montag erneut der Innenausschuss des Bundestags hinter verschlossenen Türen über den Fall Amri. Die Chefs aller Sicherheitsbehörden waren anwesend. Der Tunesier hatte im Dezember mit einem Lkw-Attentat in Berlin zwölf Menschen getötet.
Erstmals musste in dieser Runde NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) vorsprechen. In seinem Bundesland war Amri als Asylbewerber gemeldet, dort wurde er als Erstes als islamistischer Gefährder gelistet. Der CSU-Innenpolitiker Stephan Mayer warf NRW vor, zu lasch mit Amri umgegangen zu sein. „Dass nicht mal versucht wurde, ihn in Abschiebehaft zu nehmen, finde ich dürftig.“
Jäger wies den Vorwurf zurück. Die Voraussetzungen für die Haft hätten gefehlt. Selbst eine monatelange Observation Amris in Berlin habe dafür nichts erbracht. Jäger versuchte die Verantwortung zu delegieren und verwies auf die Besprechungen im Terrorrismusabwehrzentrum in Berlin. Alle 40 dortigen Behörden hätten „mit Wissen von heute Fehleinschätzungen getroffen“. Vor dem Anschlag aber sei die Gefahr durch Amri nicht absehbar gewesen.
Erst vergangene Woche hatte die Opposition in NRW einen Untersuchungsausschuss zum Fall Amri beantragt. Die Opposition im Bundestag hielt sich am Montag auch dort ein solches Gremium weiter offen.
BKA-Chef Holger Münch plädierte im Innenausschuss dafür, die Beobachtung von Gefährdern künftig länderübergreifend nach gleichem Maßstab vorzunehmen. Er schlug – im Einklang mit de Maizière – vor, dafür sein BKA zu stärken und eine „Koordinierungsstelle Terrorismus“ zu schaffen. SPD-Mann Lischka begrüßte die Idee: „Wir müssen die Handlungsspielräume von Gefährdern viel strikter eingrenzen.“
Erst am Donnerstag hatten sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Länderchefs auf eine schnellere Abschiebehaft für ausreisepflichtige Gefährder geeinigt. NRW-Innenminister Jäger sprach vom „richtigen Weg“. Zuvor beschloss das Bundeskabinett, Gefährder mit Fußfesseln zu überwachen.
Am Dienstag will Merkel zudem bei einem Treffen mit dem tunesischen Premier Youssef Chahed in Berlin für schnellere Abschiebungen in dessen Land werben, „insbesondere wenn es um Gefährder geht“. Auch hieran hatte es im Fall Amri gemangelt: Tunesien hatte erst nach dem Attentat die für eine Abschiebung nötigen Papiere übersandt.
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