Nicht mit meiner Marke

Werbung Immer mehr Unternehmen ziehen ihre Anzeigen von der rechten Nachrichtenseite Breitbart News ab

Breitbart rief zum Boykott von Kellogg’s auf Foto: PhotoAlto/Fotofinder

von Meike Laaf

935 Unternehmen sind es, die ihre Onlineanzeigen nicht mehr auf der ultrarechten, hetzerischen US-Nachrichtenseite Breitbart News sehen wollen. Sie unterbanden, dass sie dort eingeblendet werden, gezählt von der Initiative Sleeping ­Giants am Mittwoch. Inzwischen sind noch mehrere Dutzend Firmen hinzugekommen – Erfolge, die die anonyme Formation, die sich Ende November gründete, auf Twitter dokumentiert.

„Wir versuchen, rassistische Webseiten zu stoppen, indem wir die Werbegelder stoppen, die sie bekommen“, heißt es in ihrer Twitter-Selbstbeschreibung. Derzeit konzentriert sie sich jedoch auf Breitbart News. Sie ruft Webnutzer auf Twitter auf, Screenshots von Anzeigen auf Breitbart News zu machen und sie den dazugehörigen Unternehmen zu schicken – verbunden mit der Frage, ob sie das wirklich wollen: dort Werbung schalten. Einer ihrer ersten Erfolge war der Kellogg’s-Konzern: Der Frühstücksflockenhersteller stoppte Ende November seine Werbung auf Breitbart. Daraufhin wurde auf Breitbart zum Boykott von Kellogg’s-Produkten aufgerufen. Trotzdem ­folgten viele andere Unternehmen aus den USA und der ganzen Welt dem Beispiel von Kellogg’s.

Die Köpfe hinter Sleeping ­Giants bleiben anonym – weil einige der Mitglieder in der digitalen Medienindustrie arbeiteten, wie einer der Gründer der New York Times sagt.

Hintergrund der Aktion: Anders als früher werden die allermeisten Onlineanzeigen nicht mehr direkt auf eine bestimmte Seite gebucht, sondern gemäß bestimmten Zielgruppenprofilen verteilt. Auf welchen Seiten ihre Anzeigen schlussendlich eingeblendet werden, wissen Werbetreibende oft nicht.

„Das System ist falsch“

Der Berliner Gerald Hensel startete Ende letzten Jahres die Aktion #keinGeldfürRechts, in der er Firmen empfahl zu prüfen, wo ihre Onlinewerbung läuft. Hensel kennt die Branche gut – er arbeitete bei der Berliner Werbeagentur Scholz and Friends als Strategieberater. In privater Eigeninitiative benannte Hensel in seinem Blog Seiten und Blogs, die er als „populistisch-konservativ“ bis „hart rechtsextrem“ begriff. Daraufhin brach ein Sturm der Entrüstung in sozialen Medien über ihn herein, der so heftig war, dass er auch seinen Arbeitgeber in Mitleidenschaft zog. Hensel reagierte: Er kündigte und zog sicherheitshalber erst einmal in ein Hotel um.

Der Ton, in dem Aktionen wie die von Hensel oder die der Sleeping Giants kritisiert werden, ist oft scharf. Von Denunziation, Boykott, Anschwärzen ist dann die Rede. Die Sleeping Giants sagen, es gehe nicht um das Beschneiden von freier Meinungsäußerung. Sondern darum, Werbern und Konsumenten die Kontrolle darüber zu geben, wohin ihr Geld geht.

Auch Hensel betont, bei seiner Aktion gehe es nicht um Boykott. „Wir haben ganz normal nachgefragt, ob entsprechende Marken wissen, dass sie auf Breitbart werben. Das war praktisch nirgends der Fall.“ Seine Kritik: Das System dahinter erlaube es Markenverantwortlichen zu ignorieren, wo sie werben. „Das System ist falsch“, sagt Hensel. „Es muss repariert werden.“

Anfang Januar kontaktiertedie baden-württembergische SPD-Bundestagsabgeordnete Saskia Esken die Fluggesellschaft Air Berlin per Twitter. Sie postete den Screenshot einer Air-Berlin-Anzeige auf Breitbart und fragte, ob diese Werbung auf einer „Neonazi-Webseite“ gewollt sei. Tags drauf setzte Air Berlin Breitbart auf eine Liste von Seiten, auf denen sie explizit nicht werben möchten. Auch hier brach ein Sturm der Entrüstung über Esken und Air Berlin herein. Esken schrieb darüber in ihrem Blog, erschrocken von den heftigen Reaktionen.

Rückzieher von Air Berlin

Und Air Berlin? Gibt sich auf taz-Anfrage ziemlich schmallippig: Bei dem Blacklisting handle es sich „um eine unabgestimmte Einzelentscheidung, die nicht unseren üblichen unternehmensinternen Prozessen entspricht. Wir prüfen den Vorgang“, schreibt der Pressesprecher. „Air Berlin unterstützt uneingeschränkt die Grundwerte einer demokratischen Gesellschaft wie Meinungs- und Pressefreiheit, Toleranz und Gleichberechtigung und ist politisch neutral.“ Klingt nach einem Rückzieher. Diverse deutsche Firmen, die die Sleeping Giants dafür priesen, dass sie Werbeeinblendungen auf Breitbart blockiert hätten, reagierten auf eine taz-Anfrage nicht. Anders der deutsche Reinigungskräfteservice ­Helpling. „Wir haben die Webseite geblockt, da wir diskriminierende Inhalte oder Webseiten auf keinen Fall durch Werbeeinnahmen unterstützen möchten“, erklärt Mitgründer und Geschäftsführer Benedikt Franke. Die Reaktionen seien „durchweg positiv“. Auch die deutsche Restaurantkette Vapiano, die Lufthansa und die Deutsche Telekom hatten sich in anderen Medien dazu bekannt, auf Breitbart online nicht mehr werben zu wollen.