Inklusive Disco in Berlin: Hier isses immer schön

Im Mensch Meier feierten am Samstag Menschen mit und ohne Behinderung. Mit und ohne Glitzer. Ein Besuch bei der Partyreihe Spaceship.

Eine Frau im Rollstuhl feiert gemeinsam mit Menschen ohne Behinderung im Mensch Meier

Bei der Partyreihe Spaceship feiern Menschen mit und ohne Behinderung in einer Szenedisko Foto: Andi Weiland

„Hallo, ich heiße Steffi.“ Fester Händedruck. Dann ein lautes „Ich will tanzen!“ Und schon verschwindet Steffi Richtung Tanzfläche. Reißt die Arme in die Luft und dreht sich. Um sie herum klatschen viele Menschen im Takt der Musik, lachen. Es ist kurz nach sieben an einem Samstagabend in Berlin. Doch der Club Mensch Meier ist schon gut gefüllt.

In der Schlange vor dem Club in Lichtenberg wird diskutiert. Über das verschuldete Berlin, Flüchtlingspolitik, über Trump. Die Menschen sind unterschiedlich gekleidet. Jogginghosenträger findet man in der Reihe genauso wie eine Frau mit blinkenden Schuhen, einen Mann mit Hertha-Jacke oder einen jungen Mann im schwarzen Hemd. Er hat das Downsyndrom.

Auch viele Menschen im Rollstuhl warten auf den Einlass, alle unterhalten sich angeregt. Einige sind in Gruppen, mit Autos und Shuttle Services in die Storkower Straße gekommen, andere auch alleine. Zum Beispiel der 56-jährige Harry, der kognitiv beeinträchtigt ist: „Ich war schon oft da“, erzählt er. Er hofft, dass es diese Partyreihe noch lange gibt, schließlich „isses immer schön hier“.

Beim Einlass ist es noch ein seltsames Gefühl, um 18 Uhr schon in einen Club zu gehen. Drinnen, bei lauter Musik, Kaltgetränken und eingehüllt in Nebelmaschinenluft in blinkenden Räumen, ist die Uhrzeit schnell vergessen. Nur das Gefühl, ein bisschen fitter und wacher als bei anderen Clubbesuchen zu sein, bleibt. „Fetter Sound“, sagt meine Begleitung, als wir den ersten Floor betreten. Das finde ich auch, wir pilgern in den zweiten Raum zur Bar.

Glitzer und Fotos

Nicht nur der frühe Beginn ist eine Besonderheit an diesem Abend. Es gibt eine Fotoecke, eine Siebdruckstation, bei der das Raumschiff-Logo der Partyreihe Spaceship auf Taschen und T-Shirts gedruckt wird, und einen Schminkraum, aus dem alle bunt glitzernd und thematisch passend mit spacigen Kostümteilen rauskommen. Die inklusive Partyreihe ist von der Aktion Mensch gefördert: „Sonst könnten wir uns diese Aktionen und den geringen Eintritt von zwei Euro nicht leisten“, sagt Markus Lau von der Lebenshilfe Berlin. Er organisiert zum vierten Mal die Party in Zusammenarbeit mit dem linken Kollektiv Mensch Meier.

In den Räumen ist alles übersät mit Aufklebern, die Wände bemalt. Eine Szenedisko. Für die inklusive Partyreihe werden bekanntere Bands angefragt, um viele Berliner anzusprechen. „Letztes Mal waren über 200 Leute da, vielleicht knacken wir heute Abend den Rekord“, sagt Lau. Am Ende sind über 300 Menschen gekommen. „Besonders schön finde, ich, dass man irgendwann am Abend nicht mehr merkt, wer ein Freak von uns und wer ein Freak vom Club ist“, witzelt Lau über die linke Partylocation. Auf der Tanzfläche sind Menschen mit Leuchtstäben an den Ohren, Glitzer auf den Wangen und bedruckten T-Shirts. Es ist eine schöne Mischung.

Den Glitzer verteilt an diesem Abend die Studentin Helena. Sie schminkt die Discogäste ehrenamtlich: „Alle freuen sich total. Und geben uns damit viel zurück.“ Besonders gut kommen die bunten Knicklichter an. Doch auch silberne Perücken, Masken und Haarreifen mit wackelnden Bommeln werden verteilt.

Auf der Bühne feuert die spielenden Jungs eine Besucherin mit Downsyndrom an

„Schminke ist nichts für mich. Nee, nee“, sagt der 23-jährige Özcan. Er ist in den Club gekommen, um nette Menschen kennenzulernen und gute Musik zu hören. Die Partybemalungen schaut er sich aus sicherem Abstand trotzdem an. Hier könne man sich besser unterhalten, in dem anderen Raum sei es auch „so stickig“. Er erzählt, dass er beim Lwerk Berlin-Brandenburg im Garten- und Landschaftsbau arbeitet. Übers Internet hat er von der Disco erfahren und ist mit seiner Betreuerin gekommen: „Nächstes Mal komme ich alleine“, sagt er.

Auch Armin ist regelmäßiger Besucher im Mensch Meier. Die Spaceship Party unterscheide sich in seiner Wahrnehmung nicht groß von anderen Feiern hier, meint der Wahlberliner aus Stuttgart.

Tanga Electra heizt ein

Dann beginnen die Brüder Elias und David von Tanga Electra zu spielen. Vor der kleinen Bühne sitzen mehrere Menschen in Rollstühlen. Auf der Bühne feuert die Jungs eine Besucherin mit Downsyndrom an. Der Raum ist gefüllt mit alten und neuen Fans der Band. Zu ihrem Elektrosoul wird gewippt, gehüpft, geklatscht.

Maximilian ist mit seinem Vater Maik und drei Freunden aus seiner Wohngruppe gekommen. „Mega nice“, sagt der 23-Jährige. Er sitzt in seinem Rollstuhl, wippt zur Musik. Ihm gefällt besonders der Rap der Gruppe Die Tsootsies, dem zweiten Liveact des Abends. In einer inklusiven Disco sind die beiden heute Abend zum dritten Mal. Bisher waren sie immer im Lido in Kreuzberg. „Im Mensch Meier sind wa das erste Mal. Aber ganz sicher nicht das letzte Mal“, sagt Maik. Die Stimmung gefällt ihnen, außerdem seien auch die Toiletten hier groß genug. „Dit war een Problem im Lido“, sagt Maik. „Hier gefällt’s uns besser, wa?“, fragt er seinen Sohn. Maximilian stimmt zu. Schon seit seiner Kindheit hat er eine Muskelkrankheit. Seine Lebenserwartung ist nicht hoch. Die Gruppe bleibt, bis die Livemusik zu Ende ist.

Als wir gegen halb eins nachts gehen, sitzt Harry, den wir in der Schlange kennengelernt hatten, noch an der Theke, trinkt ein Bier und sortiert akribisch einen Stapel der Getränkekarten vom Mensch Meier. Müde scheint er auch nach sieben Stunden Disco nicht zu sein. Offiziell endete die Spaceship Party um elf. Doch wer wollte, durfte auf der Anschlussparty weiterfeiern. Ein Angebot, das es leider nicht bei allen inklusiven Partys gibt. Im Mensch Meier wurde es gern angenommen.

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