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Nicht jeden darf man speichern

EUROPÄISCHER GERICHTSHOF Nationale Gesetze zur Vorratsdatenspeicherung dürfen nicht die Verbindungsdaten der ganzen Bevölkerung erfassen, sagen die Luxemburger Richter

Demo vor der SPD-Parteizentrale 2015 Foto: Rainer Jensen/dpa

von Christian Rath

FREIBURG taz | Eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung, die die gesamte Bevölkerung erfasst, verstößt gegen EU-Recht. Das entschied jetzt der Europäi­sche Gerichtshof (EuGH) mit Blick auf die Gesetze in Schweden und Großbritannien. Aber auch Deutschland muss seine erst 2015 wiedereingeführte Vorratsspeicherung zumindest entschärfen.

Bei der Vorratsdatenspeicherung müssen die Telefon- und Internetverbindungsdaten der ganzen Bevölkerung anlasslos bei den Telekom-Firmen gespeichert werden. Dort wird festgehalten, wer wann wen angerufen hat und wer sich wann mit welcher IP-Adresse ins Internet eingewählt hat. Auch der Standort aller Mobiltelefone wird dabei gespeichert. Inhalte dürfen dabei nicht erfasst werden.

Ursprünglich basierte die Vorratsspeicherung auf einer EU-Richtlinie von 2007. Diese hat der EuGH jedoch schon 2014 für nichtig erklärt, weil sie gegen EU-Grundrechte verstoße. Insofern kommt das jetzige EuGH-Urteil nicht völlig überraschend. Nun ging es aber um die nationalen Gesetze, die es in fast allen EU-Staaten gab, auch in Schweden und Großbritannien. Maßstab war diesmal die EU-Richtlinie zum Datenschutz in der elektronischen Kommunikation von 2002. Dieser Maßstab gilt für alle EU-Staaten gleich, also auch für Deutschland.

In Deutschland wurde ironischerweise erst Ende 2015, also eineinhalb Jahren nach dem warnenden EuGH-Urteil, eine neue Vorratsdatenspeicherung eingeführt. SPD-Chef Gabriel war damals die treibende Kraft, weil er der Union keine offene Flanke bei der inneren Sicherheit bieten wollte. Justizminister Maas (SPD) sorgte dann dafür, dass die Speicherfristen mit vier bis zehn Wochen deutlich hinter der alten EU-Vorgabe (sechs Monate bis zwei Jahre) zurückblieb.

Der EuGH äußerte sich nun aber auch zu den rein nationalen ­Vorratsdatenspeicherungen sehr kritisch. Aus der Gesamtheit dieser Daten könnten genaue Schlüsse auf das Privatleben der betroffenen Personen gezogen werden, etwas tägliche Gewohnheiten und das soziale Umfeld. Der Eingriff sei deshalb als „besonders schwerwiegend“ anzusehen; Speicherung und Nutzung der Daten müssten auf das „absolut Notwendige“ begrenzt werden.

Der EuGH will einen Zusammenhang zwischen Daten und Ziel der Speicherung

Dass die zwangsgespeicherten Daten nur auf richterliche Anordnung zur Verhütung und Aufklärung schwerer Kriminalität genutzt werden dürfen, ist in Deutschland bereits erfüllt. Die eigentliche Wirkung liegt in der Beschränkung der Speicherung, vor allem der erfassten Personen. Während bisher jeder mit seinen Verbindungs- und Standortdaten erfasst wurde, verlangt der EuGH einen Zusammenhang zwischen Datenerhebung und Ziel der Speicherung.

Wer also überhaupt nichts mit schwerer Kriminalität zu tun hat, kann nicht einfach zum Objekt einer Vorratsdatenspeicherung werden. Der EuGH schlägt zum Beispiel eine geografische Eingrenzung vor, was aber bei Terroranschlägen wenig Sinn hat, da vorher niemand weiß, wo der IS zuschlägt. Jedenfalls müssten die Kriterien geeignet sein, die Vorratsdatenspeicherung wirksam zu begrenzen.

Für den Bundestag besteht nun kein unmittelbarer Handlungsdruck; schließlich hat der EuGH über das deutsche Gesetz noch nicht konkret geurteilt. ­Allerdings liegt es nahe, den (nach einer Übergangsfrist) für Juli geplanten Beginn der Zwangsspeicherung auszusetzen und gleich eine rechtskonforme Änderung des Gesetzes zu beschließen. Sonst könnte jedes deutsche Verwaltungsgericht das Gesetz Luxemburg zur Prüfung vorlegen.

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