: „Islamisten und Rechtsextreme kochen dieselbe Suppe“
Folgen Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz fordert ein „fraktionsübergreifendes Vorgehen“ im Bundestag
45, ist Vizevorsitzender der Grünen-Fraktion. Er beschäftigt sich mit Geheimdiensten, Bürgerrechten und Rechtspolitik.
taz: Herr von Notz, wie muss die Politik auf den Anschlag auf einen Berliner Weihnachtsmarkt reagieren?
Konstantin von Notz: Welche politischen Konsequenzen diese fürchterliche Tat haben muss, lässt sich im Moment noch nicht seriös sagen. Dafür sind die Hintergründe noch zu unklar. Sicher ist aber: Der Anschlag droht das politische Klima in Deutschland stark zu verändern.
Wie wird es sich verändern?
Die Sicherheitsbehörden warnen ja schon lange vor der Gefahr eines solchen Anschlags. Aber eine abstrakte Warnung ist etwas anderes als ein reales, grausames und schmerzhaftes Ereignis im Herzen der Hauptstadt. So etwas verängstigt Menschen.
Zynisch gesagt: Auf so ein Ereignis haben die Rechtsextremen gewartet?
Diejenigen, die unsere liberale und offene Gesellschaft spalten und den Rechtsstaat beschädigen wollen, werden versuchen, den Anschlag zu instrumentalisieren. Sie versuchen es jetzt schon. Islamisten und Rechtsextreme kochen dabei übrigens dieselbe Suppe. Sie versuchen, aus Angst Profit zu schlagen.
Marcus Pretzell, AfD-Landeschef in NRW, twitterte, dies seien „Merkels Tote“. Sollte man solche Provokationen ignorieren – oder verurteilen?
Politische Widerlichkeit ist wählbar und heißt AfD. Pretzell macht nicht mal den Versuch, seine abgründigen Interessen zu kaschieren. Das spricht für sich selbst. Demokratische Parteien dürfen sich die Debatten nicht von der AfD aufzwingen lassen, aber eben auch nicht schweigen, wenn sich Rechtsextreme im Leid der Opfer und der Angst der Menschen suhlen.
Aber die AfD wird von dem Anschlag profitieren, oder?
Das ist nicht sicher. Politik funktioniert nie linear. Jetzt müssen sich die Besonnenen zusammentun und mit kühlem Kopf beraten und entschlossen handeln. Ich fände ein fraktionsübergreifendes Vorgehen im Bundestag wichtig. Das Ereignis ist zu gravierend, um es politisch gegen die Wettbewerber auszuspielen.
Ist das realistisch? Horst Seehofer fordert bereits, die Zuwanderungspolitik müsse neu justiert werden.
Die CSU fordert seit Monaten, dass die Flüchtlingspolitik grundsätzlich geändert werden müsse. Bisher weiß niemand, wer der Täter ist, welche Motive er hatte und was sein Hintergrund ist. Angesichts dessen pauschal Urteile zu fällen und Uraltforderungen aufzuwärmen, ist schlicht unseriös.
Interview Ulrich Schulte
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